Gender Care Gap

Zeitlücke: Sorgearbeit und Geschlecht
Die Frauen- und Geschlechterforschung kritisiert das enge Verständnis des Arbeitsbegriffs als Lohnarbeit und hebt die gesellschaftliche Bedeutung von unentgeltlicher Haushalts- und Sorgearbeit (auch Care-Arbeit genannt) hervor. Die Menge an geleisteter Care-Arbeit steht in engem Zusammenhang mit der Erwerbsbeteiligung. Wie der Gender Care Gap (geschlechtsspezifische Sorgelücke) zeigt, wird die unbezahlte Care-Arbeit mehrheitlich von Frauen erledigt, was im Umkehrschluss zu Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt (siehe Gender Gap Arbeitsmarkt und Gender Pay Gap) führt. Die feministische Philosophin und Soziologin Nancy Fraser (2016) sieht hierin einen Widerspruch des Kapitalismus. Einerseits ist unbezahlte Care-Arbeit unabdinglich für die Aufrechterhaltung unserer Gesellschaft und der Verfügbarkeit von (männlicher) Arbeitskraft. Gleichzeitig wird dieser im (Spät-)Kapitalismus die Grundlage entzogen, zum einen durch die Einbindung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, zum anderen durch die Kommodifizierung von Care-Arbeit, welche den Zugang für Menschen ohne ausreichendes Einkommen erschwert. Der Gender Care Gap sollte also immer auch vor dem Hintergrund gesamtgesellschaftlicher ökonomischer Strukturen betrachtet werden.
Der Indikator Gender Care Gap wurde erstmals im zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung (2017) vorgestellt und beschreibt den täglichen (manchmal: wöchentlichen) Zeitaufwand, der mit Sorge- und Haushaltstätigkeiten verbracht wird. Die prozentuale Lücke ergibt sich aus der Differenz im Zeitaufwand zwischen Frauen und Männern, relativ zum Zeitaufwand der Männer. Der Gap bezieht sich auf Tätigkeiten wie Haushaltsführung (einschließlich Reparaturen, Gartenpflege, Tierbetreuung), Kinderbetreuung, Pflege, Ehrenamt und informelle Hilfe für andere Haushalte, einschließlich Wegezeiten. Zur Messung dieses Gaps werden detaillierte Informationen über die täglichen Aktivitäten von Männern und Frauen benötigt. In Deutschland liefert solche Daten die Zeitverwendungserhebung (ZVE), welche ca. alle 10 Jahre durchgeführt wird. Bei dieser Erhebung werden die Teilnehmenden dazu aufgefordert, alle 15 Minuten zu notieren, was sie gerade tun.
Nachdem die Anzahl der Minuten oder Stunden, die von Männern und Frauen täglich mit Care-Arbeit verbracht werden, erfasst wurde, werden diese Werte in Relation zueinander gesetzt. Der Gender Care Gap ist mit 43,4 Prozent nach wie vor erheblich: Frauen ab 18 Jahren verbrachten 2022 laut Zeitverwendungserhebung täglich rund 76 Minuten mehr mit unbezahlter Haus- und Sorgearbeit als Männer. Im Vergleich zur Erhebung 2012/13 (52,4 Prozent) zeigt sich jedoch ein leichter Rückgang (Statistisches Bundesamt 2025).
Was der Care Gap misst – und was nicht
Der Gender Care Gap macht deutlich, dass unbezahlte Haushalts- und Sorgetätigkeiten in Deutschland sehr ungleich zwischen den Geschlechtern verteilt sind. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass einige ungleichheitsrelevante Aspekte nicht in die Bemessung einfließen: So schließt der Gender Care Gap bezahlte Sorgearbeit aus, in der Frauen ebenfalls stark überrepräsentiert sind (Gärtner 2024). Er sagt zudem nur etwas über den unmittelbaren Zeitaufwand aus, nicht aber über die Verantwortung und Planungsarbeit, die z. B. im Rahmen der Kinderbetreuung getragen wird. Diese wurde in den letzten Jahren zunehmend unter dem Begriff des Mental Load diskutiert (Cammarata 2024).
Sorgearbeit jenseits der Heteronorm
Abb. 1: Zeitverwendung von Personen in Partnerschaften mit Kindern nach Sexualität in den USA 2003-13

Im Kontext des Gender Care Gaps wird in der Regel von einem heterosexuellen Paarkontext ausgegangen. Dabei ist unklar, ob und wie sich die Aufteilung der Sorgearbeit in sogenannten Regenbogenfamilien unterscheidet, das heißt solche mit lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen sowie nichtbinären Elternteilen. Aufgrund einer schwierigen Datenlage ist die Thematik im Allgemeinen und in Deutschland insbesondere wenig erforscht, jedoch gibt es z. B. Anhaltspunkte für gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern. Die US-amerikanischen Forschenden Martell und Roncolato (2016) haben diese Fragestellung mit Daten des American Time Use Survey untersucht, welcher der deutschen Zeitverwendungserhebung entspricht. Frauen übernehmen in heterosexuellen Paaren den Großteil der Sorgearbeit. Die These der Forscher*innen ist, dass die Aufteilung in homosexuellen Partnerschaften gleichmäßiger ist – was sich darin zeigen sollte, dass Frauen in lesbischen Beziehungen weniger, und Männer in schwulen Beziehungen mehr Zeit mit Sorgearbeit verbringen sollten. Ihre Untersuchung bezieht sich auf Paarhaushalte und umfasst dabei Hausarbeit, direkte Sorgearbeit (in der diese Tätigkeit die Hauptaktivität darstellt) sowie sekundäre Kinderbetreuung (Zeit, in der ein Kind beaufsichtigt wird, jedoch nicht im Zentrum der Aktivität steht). Die Analyse bestätigt zunächst diese Hypothese: Frauen in lesbischen Beziehungen verbringen tatsächlich weniger Zeit mit Care-Arbeit, während Männer in homosexuellen Beziehungen mehr Zeit aufwenden. Betrachtet man nur noch Paare mit Kindern, schrumpft der Unterschied (siehe Abb. 1). Dies weist darauf hin, dass ein Teil des geringeren Zeitaufwands für Care-Arbeit von Frauen in lesbischen Partnerschaften auf die höhere Kinderlosigkeit unter lesbischen Paaren zurückzuführen ist. Dennoch bleibt auch in Paarbeziehungen mit Kindern eine gewisse Lücke zwischen den Care-Arbeitszeiten von Männern und Frauen bestehen, zumindest in der US-amerikanischen Studie von Martell und Roncolato (2016). Die Ergebnisse deuten also darauf hin, dass der Gender Care Gap nicht (nur) in der heterosexuellen Paardynamik entsteht: Auch historisch gewachsene Rollenbilder von Mann und Frau spielen eine Rolle (Dreas 2019).
Stand: Oktober 2025
Über die Autor*innen
Clara Overweg M.A., ist Soziologin und Doktorandin an der Humboldt-Universität zu Berlin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bamberg. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich schwerpunktmäßig mit geschlechterspezifischen Ungleichheiten in Lebenslauf, Renteneinkommen und Vermögen.
Dr. Andreas Weiland ist Soziologe und forscht an der TU Dortmund. Seine Schwerpunkte liegen in den Themenfeldern Lebenslauf, Geschlecht, Sozialpolitik, Renten und Vermögen.
Bundesregierung (2017): Zweiter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung. BT-Drucksache 18/12840, Berlin, (Abruf: 05.12.2024).
Cammarata, Patricia (2024): Was ist Mental Load?.
Dreas, Susanne A. (2019): Zum Verhältnis von Gender und Care oder: Warum ist Sorgearbeit weiblich? In: Kolhoff, Ludger (Hg.): Aktuelle Diskurse in der Sozialwirtschaft II. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, S. 223–239.
Fraser, Nancy (2016): Contradictions of Capital and Care. In: New Left Review (100).
Gärtner, Marc (2024): Care-Arbeit, Gleichstellung und der Blick auf Männer (Abruf: 05.12.2024).
Martell, Michael E./Roncolato, Leanne (2016): The Homoxesual Lifestyle: Time Use in Same-Sex Households. In: Journal of Demographic Economics 82 (4), S. 365–398 (Abruf: 05.12.2024).
Statistisches Bundesamt (2025): Statistischer Bericht. Erhebung zur Zeitverwendung privater Haushalte (Abruf: 21.10.2025).
Bildnachweise
Abbildung 1: Zeitverwendung von Personen in Partnerschaften mit Kindern nach Sexualität in den USA 2003-13; Quelle: Martell und Roncolato (2016); Datengrundlage ist der American Time Use Survey 2003-2013; eigene Darstellung