Gender Gap Arbeitsmarkt

Quelle: Statistisches Bundesamt (2025a)

Wer arbeitet wie? Erwerbstätigkeit im Geschlechtervergleich

Für die meisten Menschen bildet Erwerbstätigkeit eine zentrale Grundlage für die eigenständige Sicherung ihres Lebensunterhalts. Ein eigenes, ausreichend hohes Einkommen wirkt finanziellen Abhängigkeiten entgegen, die eine autonome Lebensführung erschweren können. Insbesondere Frauen sind davon betroffen, dass ihre Erwerbstätigkeit nicht zur eigenständigen Existenzsicherung ausreicht. Die feministische Wohlfahrtsstaatstheoretikerin Ann Orloff bezeichnet daher die ökonomische Situation von Frauen in westlichen Wohlfahrtstaaten als „einen Ehemann entfernt von der Armut“ („a husband away from poverty“) – und bringt darin das Ringen um ökonomische Sicherheit und Autonomie auf den Punkt (Orloff 1993: 319). Darüber hinaus zeigen Studien, dass die Verteilung der Einkommen innerhalb einer Partnerschaft Einfluss auf die Entscheidungsfindung innerhalb von Beziehungen hat (Beblo/Boll 2014). Eine eigenständige Existenzsicherung ist demnach nicht nur für (potentiell) Alleinstehende relevant, sondern wirkt sich auch auf Autonomie und Abhängigkeitsverhältnisse in Ehen und Partnerschaften aus. Aus gleichstellungspolitischer Perspektive ist es daher zentral, die zugrundeliegenden systemischen Ursachen von geschlechterspezifischen Unterschieden in der Erwerbstätigkeit zu beleuchten.

Die Arbeitsmarktteilhabe lässt sich mit verschiedenen Indikatoren messen. Neben dem Gender Pay Gap sind auch der Gender Employment Gap (Unterschiede in der Erwerbstätigenquote) und der Gender Hours Gap (Unterschiede im Umfang der Erwerbstätigkeit) zwischen den Geschlechtern relevant. Die Erwerbstätigenquote erfasst den Anteil der Frauen zwischen 15 und 65 Jahren, die einer bezahlten Tätigkeit nachgehen. Die Erwerbstätigenquote von Frauen in Deutschland steigt stetig: Im Jahr 1993 waren etwa 55 Prozent der Frauen zwischen 15 und 65 Jahren erwerbstätig, 2024 waren es rund 74 Prozent – bei den Männern gab es nur eine leichte Veränderung von 75 Prozent auf rund 81 Prozent (Statistisches Bundesamt 2024a). Der Gender Employment Gap schrumpfte in diesem Zeitraum daher von 26,8 Prozent auf 8,9 Prozent. Die Betrachtung des Employment Gaps allein gibt noch keinen Aufschluss über den Umfang der Tätigkeit – hier zeigen sich andere Entwicklungen. Diese können mithilfe des Gender Hours Gap, der Lücke in der wöchentlichen Arbeitszeit, oder vereinfacht durch den Vergleich der Teilzeitquoten von Frauen und Männern gemessen werden. Die Teilzeitquote beschreibt den Anteil der Beschäftigten, die in Teilzeit arbeiten, basierend entweder auf einer Selbstidentifikation oder einer festgelegten Stundengrenze – beispielsweise unter 30 Stunden gemäß OECD-Richtlinie (Statistisches Bundesamt 2024b). Die Teilzeitquote von Frauen ist zwischen 1993 und 2023 von etwa 32 auf rund 50 Prozent gestiegen (Institut Arbeit und Qualifikation 2024). Dies deutet darauf hin, dass der Anstieg der Erwerbstätigenquote von Frauen fast ausschließlich auf Teilzeitarbeit zurückzuführen ist. Trotz steigender Tendenz arbeiten Männer nach wie vor sehr viel seltener in Teilzeit: Bei ihnen stieg die Teilzeitquote im selben Zeitraum von rund zwei auf rund 13 Prozent (Institut Arbeit und Qualifikation 2024).

Ein neuer Indikator: der Gender Overall Earnings Gap

Ungleichheiten am Arbeitsmarkt zeigen sich also in mehreren Dimensionen, darunter der Gender Pay Gap, die Erwerbstätigenquote und der Gender Hours Gap. Um diese Dimensionen zu verbinden, hat das Statistische Amt der Europäischen Union (Eurostat) 2014 einen neuen Indikator entwickelt: den Gender Overall Earnings Gap oder Gender Gap Arbeitsmarkt. Dieser kombiniert die verschiedenen Gaps zu einem prozentualen Wert, der die Verdienstunterschiede zwischen Frauen und Männern beschreibt. Die genaue Berechnung des Indikators ist auf der Webseite des Statistischen Bundesamtes einsehbar. Der Gender Overall Earnings Gap ist aufgrund der Verrechnung unterschiedlicher Maße für sich genommen schwer interpretierbar. Sein Vorteil liegt jedoch darin, dass er Vergleiche über Zeiträume, Lebensverläufe und Länder hinweg ermöglicht. Deutschland wies 2018, dem jüngstem verfügbaren Berichtsjahr in der Eurostat-Datenbank, mit 41,9 Prozent einen deutlich höheren Wert als den EU-Durchschnitt von 36,2 Prozent auf und lag damit auf Platz vier der höchsten Werte innerhalb der EU (Eurostat 2018).

 

Erwerbsarbeit und Mutterschaft: die Motherhood Penalty

Abb. 1: Erwerbstätigenquote von Eltern nach Alter des jüngsten Kindes und Beschäftigungsumfang in Deutschland 2023
Quelle: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (2024); Datengrundlage ist der Mikrozensus 2023; eigene Darstellung

Weibliche Erwerbstätigkeit und Sorgearbeit sind eng miteinander verknüpft (siehe auch Gender Care Gap). Phasen intensiver Sorgetätigkeit, wie nach der Geburt eines Kindes, gehen häufig mit einer reduzierten Erwerbsbeteiligung von Frauen einher. Geschlechterungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt sind so nur schwer von Elternschaft zu trennen. Die Motherhood Penalty bezeichnet die Nachteile von Mutterschaft auf dem Arbeitsmarkt, die sich sowohl im Umfang der Tätigkeit (siehe Abb. 1) als auch im Stundenlohn zeigen (Schmelzer et al. 2015). Die Abbildung veranschaulicht die Erwerbstätigenquoten von Vätern und Müttern nach dem Alter des jüngsten Kindes. Im Geburtsjahr (ganz links) wird ein deutlicher Unterschied sichtbar: Während nur 5 Prozent der Mütter in Vollzeit arbeiten, tun dies 80 Prozent der Väter. In den Folgejahren steigt die Arbeitsmarktbeteiligung von Müttern zwar an, dieser Anstieg ist jedoch überwiegend auf Teilzeitarbeit zurückzuführen. Auch die  hohe Vollzeiterwerbstätigenquote von Vätern sollte in den Blick genommen werden: So kann deren wöchentliche Arbeitszeit im Zusammenhang mit der Aufteilung von Haushalts- und Sorgetätigkeiten stehen (Bünning 2020). Ursachen für die geringe Arbeitsmarktanbindung von Müttern können zum einen in einer geringeren Arbeitserfahrung infolge vorangegangener Erwerbsunterbrechungen liegen, zum anderen aber auch in einer bewussten Entscheidung für eine weniger intensive Erwerbstätigkeit (Schmelzer et al. 2015). Aber auch der politische und kulturelle Kontext spielt eine wichtige Rolle: So zeigen sich große Länderunterschiede in der Motherhood Penalty. Zentraleuropäische Länder wie Deutschland, Österreich, die Schweiz und die Niederlande haben historisch auf ein „männlicher Brotverdiener“-Modell gesetzt – das zeigt sich noch heute darin, dass Mutterschaft sich hier besonders negativ auf Erwerbstätigkeit auswirkt (Kleven et al. 2019). Im Gegensatz dazu ist wird die Erwerbstätigkeit von Müttern in nordeuropäischen Ländern wie Schweden schon lange familienpolitisch gefördert, was sich unter anderem in einem deutlich kleineren Gender Overall Earnings Gap niederschlägt (Cukrowska-Torzewska/Matysiak 2020; Eurostat 2018). Relevante politische Maßnahmen sind hier eine flächendeckende Kinderbetreuung, aber auch großzügige Regelungen zur Elternzeit und flexible Arbeitszeitmodelle (Cukrowska-Torzewska/Matysiak 2020).

Stand: Juli 2025

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Über die Autor*innen

Clara Overweg M.A., ist Soziologin und Doktorandin an der Humboldt-Universität zu Berlin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bamberg. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich schwerpunktmäßig mit geschlechterspezifischen Ungleichheiten in Lebenslauf, Renteneinkommen und Vermögen.

Dr. Andreas Weiland ist Soziologe und forscht an der TU Dortmund. Seine Schwerpunkte liegen in den Themenfeldern Lebenslauf, Geschlecht, Sozialpolitik, Renten und Vermögen.