Was kann feministische Führungskultur im öffentlichen Dienst bedeuten?
Die Struktur der öffentlichen Verwaltung ist durch eine Reihe von Standardmerkmalen gekennzeichnet, die sie zu einem besonders stabilen, aber auch starren Organ machen:
- Klare Hierarchie: Zuständigkeiten und Entscheidungsprozesse sind strikt festgelegt.
- Rational-legaler Autoritätstypus: Die Entscheidungsbefugnis basiert auf festgelegten, nachvollziehbaren Regeln und nicht auf persönlicher Willkür.
- Festgelegte Regeln und Verfahren: Standardisierte Abläufe und Vorschriften bestimmen den administrativen Alltag.
- Dokumentationspflicht: Alle Prozesse werden schriftlich festgehalten, was Transparenz, aber auch Bürokratie schafft.
- Effizienz und Berechenbarkeit: Bürokratische Strukturen sorgen für planbare und organisierte Prozesse.
Diese Merkmale, insbesondere die strikte Formalisierung und Bürokratisierung, wurden durch den Soziologen Max Weber geprägt, der die Bürokratie als das effizienteste Organisationsmodell betrachtete, um staatliches Handeln zu gewährleisten. Gleichzeitig warnte Weber jedoch vor den Risiken der Entmenschlichung durch zu viel Formalismus und starre Regeln.
Feministische Führungskultur kann auch im öffentlichen Dienst einen wichtigen Beitrag leisten, um Machtverhältnisse zu hinterfragen und Ungleichheiten abzubauen.
Im öffentlichen Sektor, der eine zentrale Rolle für das Funktionieren des Staates spielt, ist eine gerechte, inklusive und demokratische Arbeitsweise von besonderer Bedeutung. Verwaltung ist mehr als ein bloßer technokratischer Prozess; sie prägt das gesellschaftliche Zusammenleben und hat somit direkten Einfluss auf die Lebensrealität der Bürger*innen. Die Integration feministischer Prinzipien kann dazu beitragen, den öffentlichen Dienst als Vorbild für eine gerechtere, gleichberechtigtere Gesellschaft zu gestalten.
Vorteile der Verwaltung für feministische Führungskultur
Der öffentliche Dienst bietet sowohl Potenziale als auch Herausforderungen für die Integration feministischer und gleichstellungspolitischer Werte. Einerseits bieten die klaren Strukturen und die Effizienz der Verwaltung eine Grundlage für die Einführung von feministischer Führungskultur. Die Verwaltung bietet einige Vorteile, die eine Einführung feministischer Führungskultur begünstigen können:
Transparente Strukturen
Die klare Hierarchie und standardisierte Verfahren schaffen eine Grundlage für…
Diskussionen über Veränderung und strukturelle Anpassungen. Diese Transparenz ermöglicht es, bestehende Machtverhältnisse und Ungleichheiten gezielt zu adressieren.
Verbindliche Prozesse
Die festen Regeln und Verfahren bieten einen Rahmen, innerhalb dessen…
feministische und frauenpolitische Prinzipien, wie etwa Gleichstellung und Diversität, strukturiert und nachhaltig implementiert werden können.
Effizienz als Grundlage für Veränderungen
Die Effizienz, die Weber der Bürokratie zuschreibt, könnte genutzt werden, um…
Veränderungen schneller und systematisch in die bestehenden Strukturen zu integrieren. Feministische Führungskultur könnte beispielsweise eine stärkere Beteiligung aller Beschäftigten und eine gerechtere Ressourcenzuweisung (bspw. durch Gender Budgeting) fördern.
Bereits bestehende Rahmenbedingungen und Strukturen zur Förderung von Gleichstellung
Das Bundesgleichstellungs-Gesetz (BGleiG) legt fest, dass in Dienststellen mit…
mindestens 100 Beschäftigten eine Gleichstellungsbeauftragte aus dem Kreis der weiblichen Beschäftigten zu wählen ist. Die Aufgaben dieser Beauftragten umfassen unter anderem die Förderung der Gleichstellung, die Mitwirkung bei Personalmaßnahmen und die Beratung von Beschäftigten in Fragen der beruflichen Entwicklung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch in den meisten Landes- und Kommunalverwaltungen gibt es ähnliche Regelungen. Jedes Bundesland hat eigene Gesetze oder Regelungen zur Gleichstellung, die ebenfalls die Einrichtung von Gleichstellungsbeauftragten vorschreiben. Diese müssen in der Regel in allen öffentlichen Einrichtungen des jeweiligen Landes sowie in vielen Kommunen tätig sein. Die Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten umfassen in der Regel:
- Beratung der Verwaltung bei der Umsetzung von Gleichstellungsmaßnahmen
- Unterstützung bei der Integration von Gleichstellungsaspekten in Personalentscheidungen
- Überwachung der Umsetzung von Gleichstellungsgesetzen und Richtlinien
- Förderung einer geschlechtergerechten und diskriminierungsfreien Arbeitsumgebung
Feministische Führungskultur kann an diese Rahmenbedingungen anknüpfen.
Nachteile der Verwaltung für feministische Führungskultur
Andererseits erfordert die Veränderung bestehender Machtverhältnisse und die Förderung feministischer Werte eine Überwindung starrer Hierarchien und rigider Verfahren. Daher bringt die Bürokratie auch Herausforderungen für die Umsetzung einer feministischen Führungskultur mit sich:
Feste Hierarchien
Die starren Hierarchien und vordefinierten Zuständigkeiten in…
der Verwaltung können die Flexibilität einschränken, die für innovative Führungsansätze erforderlich ist. Feministische Führung betont flachere Hierarchien und eine partizipative, kollegiale Entscheidungsfindung, die durch die bestehenden Strukturen behindert wird.
Begrenzte Flexibilität
Die rigide festgelegten Tarifsysteme und Arbeitsprozesse lassen wenig…
Raum für flexiblere Arbeitsmodelle, die eine feministische Führungskultur erfordern könnte.
Mangelnde Diversität
In vielen öffentlichen Verwaltungen spiegelt sich Diversität bisher nur…
unzureichend wider. Trotz einer zunehmenden Diskussion über Gleichstellung und interkulturelle Öffnung sind viele Verwaltungsstrukturen nach wie vor von einer homogenen, oft männlich dominierten Führungskultur geprägt.
Formalisierung
Die starke Betonung auf formalisierte Prozesse und Dokumentation kann…
zu einer Entfremdung der Mitarbeitenden führen, was die Förderung einer feministischen Kultur der Fürsorge und Empathie erschwert.
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Wissens-Check machenQuellen
Armbrüster, Thomas/Banzhaf, Johannes/Dingemann, Lars (o. J.): Öffentlicher Dienst und Bürokratie: Kritik und Reform. In: Unternehmensberatung im öffentlichen Sektor, S. 17–29, https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-8349-8890-4_2 (Abruf: 24.01.2025).
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Gesetz für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes, https://www.gesetze-im-internet.de/bgleig_2015/.
Bothfeld, Silke/Fuchs, Gesine/Leitner, Andrea/Roucault, Sophie (2016): Die Bundesverwaltungen als Beschäftigungsfeld in Gleichstellungspolitik öffentlicher Arbeitgeber: Betriebliche Gleichstellung in den Bundesverwaltungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz.
Etzioni, Amitai (1973): Soziologie der Organisationen. Juventa Verlag München.
Ette, Andreas/Straub, Sophie/Weinmann, Martin/Schneider, Norbert F. (Hrsg.) (2021): Kulturelle Vielfalt der öffentlichen Verwaltung. Repräsentation, Wahrnehmung und Konsequenzen von Diversität. Verlag Barbara Budrich.