Was sagt die Praxis?
Die Diskussion über feministische Führungskultur findet nicht nur in der Theorie statt. Auch in der Praxis gibt es zahlreiche Ansätze, die unterschiedliche Perspektiven auf das Thema eröffnen. Im Auftrag der Bundesstiftung Gleichstellung hat die Organisation Fair Share of Women Leaders e.V. Interviews mit Führungspersönlichkeiten geführt, um ihr exemplarisches Verständnis von feministischer Führungskultur zu erfassen.
Mareike von Raepke
Mareike von Raepke (Geschäftsführerin Deutsches Youth for Understanding Komitee e.V.) sagt, Führungskultur bedeute, …
Menschen in ihrer Ganzheit zu betrachten und einen wertschätzenden, fairen Umgang zu pflegen – nicht nur innerhalb einer Organisation, sondern auch darüber hinaus. Feministische Führung solle darauf abzielen, Gemeinschaftlichkeit zu fördern und die Reflexion über Macht und Privilegien kontinuierlich voranzutreiben. Ziel sei es, gewalt- und diskriminierungssensible Strukturen zu schaffen.
Daphne Heinsen
Daphne Heinsen (Geschäftsführerin und Vorständin Campact e.V.) beschreibt feministische Führungskultur …
als ein dynamisches Lern- und Spannungsfeld. Für sie gehe es vor allem um Offenheit, Neugier und die Bereitschaft, bestehende Strukturen zu hinterfragen. Ein zentrales Prinzip sei das Bewusstsein für Machtverhältnisse und Privilegien in Organisationen. Sie betont, dass feministische Führung nicht nur individuelle Entscheidungen umfasse, sondern auch stark von sozialen und strukturellen Faktoren beeinflusst werde.
Jana Prosinger
Jana Prosinger (Coachin für feministische Führungskultur mit systemisch-integralem Ansatz) sagt, feministische Führungskultur bedeute …
eine kritische Auseinandersetzung mit sichtbaren und unsichtbaren Strukturen innerhalb von Organisationen. Sie hebt hervor, dass es notwendig sei, Machtpositionen und Privilegien zu reflektieren und Transparenz in Entscheidungsprozessen herzustellen. Besonders wichtig sei die Frage, wer welche Informationen in einer Organisation besitzt und wie Entscheidungswege für alle nachvollziehbar gemacht werden könnten. Feministische Führungskultur sei kein statisches Konzept, sondern ein dynamischer, kontinuierlicher Reflexionsprozess.
Rimma Kadyrbayeva
Rimma Kadyrbayeva (Senior-Managerin und Partnerin IMAP-Institut) sieht feministische Führungskultur …
nicht als einen Status, der bereits erreicht sei oder angestrebt werde, sondern als ein langfristiges Vorhaben, das bewusste Veränderungen erfordere. Sie sagt, Kultur existiere in jeder Organisation, werde aber selten aktiv gestaltet. Feministische Führung verlange daher ein gezieltes Umdenken und Handeln, um eine geschlechtergerechte Teilhabe zu ermöglichen. Organisationen setzten sich zunehmend mit Fragen der Inklusion von Frauen auseinander, allerdings meist in Form von punktuellen Maßnahmen und weniger als strukturelles Anliegen.
Verena Bentele
Verena Bentele (Präsidentin Sozialverband VdK Deutschland e.V.) sagt, feministische Führungskultur bedeute …
eine Abkehr von traditionellen, patriarchalen Strukturen hin zu einer kooperativen, partizipativen Form der Leitung. Sie betont, dass sich Führung in den letzten Jahrzehnten verändert habe und heute stärker auf die Einbeziehung von Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen setze. Während früher ein autoritärer Führungsstil dominierte, in dem eine Person vorgab, was zu tun sei, gehe es ihr darum, einen Dialog auf Augenhöhe zu fördern. Eine Herausforderung bestehe darin, sich als Frau in einer Führungsposition nicht an männlichen Vorbildern zu orientieren, sondern einen eigenen, authentischen Stil zu entwickeln. Dieser zeichne sich insbesondere durch die Fähigkeit aus, Menschen zusammenzubringen, Netzwerke zu knüpfen und Zusammenarbeit zu stärken.
Dunja Robin
Dunja Robin (Netzwerkfrauen Bayern e.V.) beschreibt feministische Führungskultur als …
ein Konzept, das zentrale Prinzipien wie Gleichheit, Fairness, Inklusion, Vielfalt, Respekt und Wertschätzung umfasse. Offene Kommunikation und flache Hierarchien seien für sie wesentliche Merkmale einer feministischen Organisation. Sie sagt, feministische Führung bringe nicht nur Frauen Vorteile, sondern allen Menschen, indem sie partizipative Entscheidungsprozesse und nachhaltige Strukturen ermögliche.
Dr. Hedda Ofoole Knoll
Dr. Hedda Ofoole Knoll (General Director Employers for Equality GmbH) hinterfragt den Begriff „Führung“, …
da er stark mit patriarchalen und hierarchischen Strukturen verbunden sei. Sie beschreibt feministische Führung als eine Möglichkeit, die Arbeitswelt zu transformieren, indem Mehrfachdiskriminierung anerkannt und betriebswirtschaftliche Maßnahmen entsprechend angepasst würden. Ein zentrales Prinzip sei die Berücksichtigung unterschiedlicher Bedürfnisse und die Schaffung flexibler Arbeitsstrukturen.
Floria Moghimi
Floria Moghimi (Diversity and Inclusion Consultant) sagt, feministische Führungskultur bedeute …
eine kritische Reflexion über die eigene Sozialisation in patriarchalen, kapitalistischen und rassistischen Systemen. Sie hält es für notwendig, traditionelle Führungsbilder zu hinterfragen und sich mit den zugrunde liegenden Machtstrukturen auseinanderzusetzen. Feministische Führung beginne mit Selbstreflexion und ziele darauf ab, Systeme nicht nur zu erweitern, sondern sie grundlegend zu verändern.
- Partizipation und Mitgestaltung
- Reflexion von Machtstrukturen
- Werteorientierung und soziale Gerechtigkeit
- Strukturelle Veränderungen statt punktueller Maßnahmen
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Wissens-Check machenQuellen
Unveröffentlichte Interviews von FAIR SHARE of Women Leaders e.V. mit den jeweiligen Akteur*innen/Führungspersönlichkeiten