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2. Gleichstellungs-Lecture 2025: Geschlechter- und Gleichstellungsforschung im Fokus – Potenziale und Strategien in Zeiten antifeministischer Angriffe

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Unter dem Titel „Geschlechter- und Gleichstellungsforschung im Fokus – Potenziale und Strategien in Zeiten antifeministischer Angriffe“ fand am 7. Oktober 2025 in der Bundesstiftung Gleichstellung die zweite Gleichstellungs-Lecture des Jahres statt. Im Offenen Haus der Gleichstellung kamen Expert*innen aus Wissenschaft, Politik, Verwaltung und Verbänden zusammen, um sich – erstmalig im Rahmen des Formats auch über Ländergrenzen hinweg – auszutauschen und zu vernetzen.

Die Veranstaltung ging von der Beobachtung aus, dass Antifeminismus in der Gesellschaft zunehmend Verbreitung findet. Dieser umfasst Einstellungen und Verhaltensweisen, die eine ungleiche und binäre Geschlechterordnung anstreben bzw. erhalten wollen. Damit einher gehen Angriffe auf Frauen- und LGBTIQ*-Rechte, Gleichstellungsmaßnahmen und maßgeblich auch auf die Geschlechterforschung. Zentrale Fragen für die Veranstaltung waren daher: Warum braucht es gerade jetzt die intersektionale Gleichstellungs- und Geschlechterforschung in Deutschland? Wie kann sie sich gegen eine antifeministische und vielfaltsfeindliche Einflussnahme absichern? Was können wir im bundesdeutschen Kontext durch Erfahrungen aus anderen Staaten lernen?

Lisi Maier, Co-Direktorin der Bundesstiftung Gleichstellung, und Lukas Zielinski, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Wissen, Beratung, Innovation, verwiesen in ihrer Begrüßung auf die Bedrohung durch antifeministische Angriffe und machten zugleich auf die demokratiefördernden Potenziale der Geschlechter- und Gleichstellungsforschung aufmerksam. Lisi Maier führte aus, dass die transnationale Anti-Gender-Bewegung in Europa sowohl finanziell wie auch ideologisch an Bedeutung gewinne. Sie weise inzwischen neben steigenden Ausgaben einen hohen Grad an transnationaler Koordination und Organisation auf. Die Bundesstiftung Gleichstellung habe dies als wichtiges Thema erkannt, weshalb sie sich in ihrem Fokusthema „Demokratie und Geschlechterbilder“ kontinuierlich mit Strategien des Antifeminismus als Demokratiegefährdung auseinandersetzen werde. Auch werde der im Arbeitsprogramm der Bundesstiftung vorgesehene Fachbeirat zum Thema Demokratiestärkung & Antifeminismus zeitnah eingerichtet.

Lukas Zielinski betonte im Anschluss die zentrale Rolle der Geschlechter- und Gleichstellungsforschung für die Arbeit der Bundesstiftung Gleichstellung und für die Gleichstellungspraxis im Allgemeinen. Die Kooperation zwischen Wissenschaft und Politik sei notwendig, um die Geschlechtergleichstellung in Deutschland voranzubringen. Es sei daher besorgniserregend, dass die Angriffe auf die Geschlechter- und Gleichstellungsforschung, aber auch auf verwandte kritische Wissenschaften wie u. a. die Postkolonialen Studien oder die Queer Studies, zunehmen würden. Er verwies zudem auf die großen Potenziale dieser Wissenschaften: Sie könnten Erklärungen und Gegenstrategien für den drohenden antifeministischen und antidemokratischen Backlash liefern und so dazu beitragen, eine gerechtere, pluralistische und demokratische Gesellschaft zu stärken. Wie diese Potenziale realisiert werden können und was wir in Deutschland dabei aus anderen Ländern lernen können, sei die zentrale Fragestellung für die Gleichstellungs-Lecture 2 / 2025.

Dr. habil. Elżbieta Korolczuk, Soziologin am Zentrum für Amerikanistik der Universität Warschau und der Södertörn Universität Stockholm, lieferte in ihrem Vortrag „Anti-gender interventions in knowledge production. How do they affect democracy?“ sowohl einen umfassenden Überblick über die globale Anti-Gender-Bewegung und ihre Eingriffe in die Wissensproduktion als auch über deren Auswirkungen auf die Demokratie. Ausgehend von den Ergebnissen des von der EU geförderten Forschungsprojekts „Co-Creating Inclusive Intersectional Democratic Spaces Across Europe“ (CCINLDE) nahm sie eine ländervergleichende Perspektive auf die Anti-Gender-Bewegung ein. Die Bewegung bestehe in den untersuchten Ländern, u. a. Schweden, Italien und Großbritannien, aus jeweils unterschiedlichen Konstellationen von religiösen, zivilgesellschaftlichen, rechten und rechtspopulistischen Akteur*innen sowie sog. gender-kritischen Feminist*innen. Anti-Gender-Akteur*innen seien an vielen Stellen Bündnisse mit Rechtspopulist*innen eingegangen, was für beide vorteilhaft gewesen sei: Die Anti-Gender-Bewegung gewann an Einfluss, während rechtspopulistische Akteur*innen das Thema „Gender“ für sich nutzen konnten, um die gesellschaftliche Polarisierung voranzutreiben. Die inzwischen finanzstarke und gut organisierte Anti-Gender-Bewegung strebe nicht nur nach politischer, sondern auch nach Macht über Wissen (epistemischer Macht). Daher greife sie auch in die Wissensproduktion ein. Diese Eingriffe ließen sich, so Elżbieta Korolczuk, in repressive und produktive Eingriffe unterteilen: Repressive Eingriffe bestünden z. B. aus dem Delegitimieren zentraler feministischer Konzepte, aus Versuchen, Fördermittel zu kürzen und dem Ausschluss bestimmter Akteur*innen aus dem öffentlichen Diskurs. Produktive Eingriffe, anderseits, zielten darauf ab, aktiv Forschungsarbeiten, -institutionen und -eliten zu fördern, die antifeministische „Wissenschaft“ betreiben. Zum Ende ihres Vortrags zeigte Elżbieta Korolczuk auf, dass diese Eingriffe Teil eines größeren antidemokratischen Projekts seien. Sie würden die Wissenschaftsfreiheit begrenzen, zur Polarisierung beitragen und „epistemisches Chaos“ stiften. All dies führe dazu, dass es zu Misstrauen in den Wissens- und Wertesystemen komme. Das sei schädlich für die Demokratie.

Den zweiten Teil der Veranstaltung begann Prof. Dr. Nikita Dhawan, Inhaberin der Professur für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Politische Theorie und Ideengeschichte an der TU Dresden, mit einem Kurzinput, betitelt „Resisting the Backlash: Defending Intersectional, Decolonial, and Postcolonial Feminisms“. Sie griff darin auf, was Elżbieta Korolczuk „epistemisches Chaos“ nannte und erweiterte es um den Begriff des „normativen Nihilismus“. Konzepte wie „Demokratie“, „Liberalismus“ und „Menschenrechte“ würden vermehrt auf Misstrauen stoßen, und zwar von rechten wie linken Kräften. Dies sei gefährlich. Gleichzeitig hob sie die Bedeutung von intersektionalen Bündnissen und Kommunikation für den gesellschaftlichen Zusammenhalt hervor. Man müsse Strategien entwickeln, wie die Kommunikation mit Menschen, die antifeministische Ansichten haben, nicht abbreche.

Abgeschlossen wurde die Veranstaltung mit einer von Sarah Molter, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Wissen, Beratung, Innovation, moderierten Paneldiskussion mit Elżbieta Korolczuk, Nikita Dhawan und Franziska Rauchut, Co-Leitung des Bereichs Wissen, Beratung, Innovation der Bundesstiftung Gleichstellung. Im Zentrum der Diskussion standen einerseits die Bedeutung der Geschlechter- und Gleichstellungsforschung für die Demokratie und anderseits die Frage, was getan werden müsse, um die Geschlechter- und Gleichstellungsforschung zu stärken.

Franziska Rauchut hob dabei die Bedeutung von kritischen Wissenschaften für die Demokratie hervor. Wissenschaften wie die Gender- und Queer-, aber auch Postcolonial- und Disability Studies beschäftigten sich mit der Bekämpfung sozialer Ungleichheit und Diskriminierung, der Nivellierung ungleicher Machtverhältnisse und dem Schutz von Minderheiten. Sie könnten so zu einer offeneren Perspektive auf die Gesellschaft beitragen. Ihre Diskreditierung diene einer autoritären Kontrolle von Wissen.  Angesprochen auf die aktuelle Situation in Deutschland erklärte sie, dass antifeministische Angriffe insbesondere mit dem Erstarken rechtspopulistischer Kräfte zunähmen. Gründe dafür sieht sie unter anderem darin, dass Gleichstellungsmaßnahmen und Vielfalt sichtbarer geworden sind – eine positive Entwicklung, die aber nun auch Abwehr hervorruft. Antidemokratische und antifeministische Diskurse spielten zudem gezielt mit der Angst der Menschen im Kontext multipler Krisen.

Elżbieta Korolczuk ging auf die Situation in Polen ein. Das 2016 erlassene vollständige Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen in Polen habe eine Welle feministischer Mobilisierung losgetreten. Diese habe weitere Proteste zur Verteidigung der Demokratie ausgelöst. Leider käme es aber inzwischen zu einer Desillusionierung innerhalb der sozialen Bewegungen, denn bisher konnten auf demokratischem Weg wenig Verbesserungen erreicht werden. Darin sieht sie eine große Gefahr. Hoffnungslos sei sie jedoch nicht, denn unter anderem würden Meinungsumfragen zeigen, dass viele Menschen mit antifeministischen Ansichten darin nicht vollständig gefestigt seien. Man müsse auf die Lebensrealitäten der Menschen eingehen und sich bemühen, sie zu erreichen. Auch Nikita Dhawan betonte, es sei wichtig, Mitmenschen davon zu überzeugen, dass Antifeminismus am Ende uns allen schade und dabei auch die emotionale Ebene nicht zu vernachlässigen. Angesprochen auf die Frage, wie die Geschlechterforschung in diesen schwierigen Zeiten gestärkt werden könne, plädierte sie unter anderem dafür, aus den Erfahrungen postkolonialer feministischer Bewegungen im Globalen Süden zu lernen. Sie hätten vielerorts bewiesen, dass sie mit Kreativität und Mut, Neues auszuprobieren, Herausforderungen überwinden können. Auf Nachfragen aus dem Publikum hin wurden zudem weitere Themen, wie Desinformation, Geschichtsbewusstsein, Vernetzung und eine Forschungsförderung für kritische Wissensansätze, diskutiert.

Das Team der Bundesstiftung Gleichstellung dankt den Referent*innen und allen Teilnehmenden.

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Beijing+30 – Delivering for all women and girls

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Am 14. Oktober 2025 luden die Bundesstiftung Gleichstellung, die Kanadische Botschaft und UN Women Deutschland zur internationalen Konferenz „Beijing+30 – Delivering for all women and girls“ in Berlin ein. 30 Jahre nach der Vierten Weltfrauenkonferenz in Peking stand die Veranstaltung ganz im Zeichen der Frage, wie die „unvollendete Revolution“ der Gleichstellung weitergeführt werden kann.

Dr. Angela Langenkamp, Vorsitzende von UN Women Deutschland, wies zu Beginn darauf hin, dass derzeit fast jedes vierte Land Rückschritte bei Frauenrechten und Geschlechtergleichstellung verzeichne: „Die Gleichstellung der Geschlechter ist keine Selbstverständlichkeit. Sie erfordert Engagement und gemeinsames Handeln.“

In ihrer Begrüßung erinnerte Lisi Maier, Direktorin der Bundesstiftung Gleichstellung, an die Aktualität der Pekinger Aktionsplattform: „Sie bleibt unser Kompass – ein Plan, der aus guten Absichten wirksame Politik macht.“ Die Bundesstiftung, 2021 als Teil der Gleichstellungsinfrastruktur Deutschlands gegründet, versteht sich als einer jener institutionellen Mechanismen, die schon 1995 gefordert wurden: als Brückenbauerin zwischen Praxis, Forschung und Politik.

Karin Prien, Bundesministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend und Stiftungsratsvorsitzende der Bundesstiftung Gleichstellung, betonte in ihrem Grußwort fortbestehende Herausforderungen wie den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt und die Beseitigung wirtschaftlicher Nachteile, z. B. durch gleiche Bezahlung.

Im Mittelpunkt der Fachgespräche stand die Frage, wie Gleichstellung als Querschnittsaufgabe fest im Regierungshandeln verankert werden kann. Dr. Regina Frey, Leitung des Bereichs Gleichstellungs-Check bei der Bundesstiftung Gleichstellung, und Dr. Arn Sauer, Direktor der Bundesstiftung Gleichstellung, sprachen mit Moderator Jesse George über die Bedeutung institutioneller Mechanismen für eine erfolgreiche Gleichstellungspolitik. Sie betonten die Relevanz von Gender-Impact-Assessments als Voraussetzung für eine evidenzbasierte und gerechte Politikgestaltung. „Nur was gezählt wird, zählt“, erklärte Dr. Frey – und forderte verbindliche Gleichstellungsprüfungen in allen Gesetzgebungsverfahren.

Die abschließenden Diskussionen zu „Women, Peace and Security“ machten deutlich, wie eng Friedenssicherung, Geschlechtergerechtigkeit und Menschenrechte miteinander verwoben sind. Stimmen aus Afghanistan und dem Sudan mahnten an, lokale Expertise stärker einzubeziehen und kurzfristige Projekte in nachhaltige Strukturen zu überführen.

Das Fazit des Tages: Trotz weltweiter Rückschritte bleibt das Ziel klar. Gleichstellung ist keine Randaufgabe, sondern eine demokratische Notwendigkeit. Wie Lisi Maier betonte: „Beijing+30 ist kein Rückblick – es ist ein Arbeitsprogramm. Die Rahmen stehen, jetzt müssen wir liefern.“

Fotos: (c) Mari Vass

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Fachtag „In guter Gesellschaft?! Gleichstellungspolitische Chancen und Herausforderungen in Strukturwandelregionen“

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Am 18. und 19. September 2025 fand der Fachtag „In guter Gesellschaft?! Gleichstellungspolitische Chancen und Herausforderungen in Strukturwandelregionen“ in der Bundesstiftung Gleichstellung statt. Zwei Tage lang diskutierten rund 75 Teilnehmende aus Zivilgesellschaft, Politik, Verwaltung und Wissenschaft über Umsetzung, Gelingensbedingungen und Herausforderungen von Gleichstellung im Kontext von Strukturwandelprozessen. Ein zentraler Baustein des Fachtages war die erstmalige Vorstellung der Expertise „Geschlechterverhältnisse in Strukturwandelregionen. Wechselwirkungen, Herausforderungen, gleichstellungspolitische Handlungsansätze“ durch die Autorin Dr. Virginia Kimey Pflücke.

Moderiert wurde die Veranstaltung von Sarah Clasen, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Bundesstiftung Gleichstellung.

Lisi Maier, Direktorin der Bundesstiftung Gleichstellung, hieß die Teilnehmenden des Fachtages in ihrer Begrüßung im offenen Haus der Bundesstiftung Gleichstellung willkommen und hob das Potential, das in Strukturwandelprozessen liege, hervor: die Chance, eine gemeinsame Vision für ein gleichberechtigtes Zusammenleben zu entwickeln.

Kerstin Griese, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, hob in ihrem Grußwort die nach wie vor bestehenden geschlechtsspezifischen Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt hervor – insbesondere in den Bereichen Berufswahl, Beschäftigungsquoten und Teilhabe an Weiterbildungsangeboten. Sie betonte: „Es braucht regionale Netzwerke und Verbindungen, damit Strukturwandel als Chance für mehr Geschlechtergerechtigkeit realisiert werden kann. Dafür müssen wir uns gemeinsam einsetzen.“

Den inhaltlichen Auftakt bildete ein Impuls von Mona Lach und Lukas Zielinski, wissenschaftliche Mitarbeitende der Bundesstiftung Gleichstellung, die einen Überblick zum Stand der Gleichstellung in der Bundesrepublik Deutschland gaben. Tatsächliche Gleichberechtigung benötige messbare Ziele und wirksame gleichstellungspolitische Instrumente – wie die Gleichstellungsberichte der Bundesregierung, den Gleichstellungsatlas oder die Europäische Charta zur Gleichstellung von Frauen und Männern auf lokaler Ebene, an deren Erarbeitung und Umsetzung auch die Bundesstiftung Gleichstellung mitwirkt. Anhand ausgewählter Gleichstellungsindikatoren verdeutlichte der Eingangsimpuls bestehende Lücken und Handlungsbedarfe in der Gleichstellungspolitik.

Vorstellung der Expertise „Geschlechterverhältnisse in Strukturwandelregionen: Wechselwirkungen, Herausforderungen, gleichstellungspolitische Handlungsansätze“

Ein zentrales Element des Fachtags war die Vorstellung der von der Bundesstiftung Gleichstellung in Auftrag gegebenen Expertise „Geschlechterverhältnisse in Strukturwandelregionen: Wechselwirkungen, Herausforderungen, gleichstellungspolitische Handlungsansätze“ durch die Autorin, Dr. Virginia Kimey Pflücke (Postdoktorandin und Akademische Mitarbeiterin an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg). Sie betonte, dass Strukturwandelprozesse umfassender betrachtet werden müssen, als in der bisherigen Debatte üblich sei. In ihrer Expertise kombiniert Dr. Virginia Kimey Pflücke quantitative und qualitative sozialwissenschaftliche Ansätze, um geschlechtsbezogene Ungleichheiten in drei Braunkohlerevieren – dem Rheinischen Revier, dem Lausitzer Revier und dem Mitteldeutschen Revier – zu analysieren. Dabei zeigen sich in den Dimensionen Erwerbsbeteiligung, Einkommen und demografische Entwicklung nicht nur große Gleichstellungslücken, sondern auch deutliche regionale Unterschiede.

Als zentrale Herausforderung identifiziert die Expertise die Notwendigkeit, Arbeits- und Lebensverhältnisse in Strukturwandelregionen ganzheitlich in den Blick zu nehmen. Strukturwandelpolitik müsse diverser ausgerichtet werden, über die Fokussierung industrieller Wertschöpfung hinausgehen und die Governance des Strukturwandels müsse gleichstellungspolitische Instrumente einbeziehen. Die Expertise finden Sie hier zum Download.

Im Anschluss an die Präsentation wurden zentrale Erkenntnisse der Expertise im Plenum diskutiert. Die Teilnehmenden dankten der Autorin für die Sichtbarmachung der Zusammenhänge zwischen Strukturwandel und Geschlechterverhältnissen sowie für die empirischen Belege, die nun genutzt werden können, um gleichstellungspolitische Forderungen zu untermauern. Diskutiert wurde über die Beständigkeit und den Wandel vorherrschender industrieller Leitbilder in der Strukturwandelbewältigung, über regionale Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland sowie über die Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf das Saarland als Strukturwandelregion. Mit der Expertise liegt nun eine wissenschaftlich fundierte Grundlage vor, die die Erfahrungen und Beobachtungen vieler Gleichstellungsbeauftragter vor Ort bestätigt und Gleichstellungsarbeit sowie -politik damit inhaltliche und argumentative Stärke verleiht und die Gleichstellungsforschung stärkt.

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Praxisbeispiele und Diskussionen in Workshops

An beiden Tagen hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, in drei parallel angebotenen Workshops zu spezifischen Themenfeldern und verschiedenen Perspektiven von Gleichstellung in Strukturwandelregionen zu arbeiten.

Der Workshop „Mit vereinten Kräften für einen geschlechtergerechten Strukturwandel – Gelingensbedingungen für Bündnisse und Netzwerke“, moderiert von Anne-Gret Trilling, Mitarbeiterin der Bundesstiftung Gleichstellung, widmete sich der Frage, wie starke Bündnisse in Strukturwandelregionen aufgebaut werden können. Korina Jenßen vom Bündnis Gleichstellung Lausitz, Lisa Mindthoff von Wir sind Fella e.V. und Anna Schlütz vom Projekt Revierwende des DGB stellten ihre Erfahrungen und Perspektiven aus der Praxis vor. (Die Präsentationen zum Workshop stehen Ihnen zum Download zur Verfügung).

Im Workshop „Rahmung von Strukturwandelprozessen: Leitbilder, Geschlecht und Care im Strukturwandel“, moderiert von Mona Lach, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Bundesstiftung Gleichstellung, diskutierten die Teilnehmenden prägende Leitbilder von Strukturwandelprozessen und deren Erweiterung um Gleichstellungs- und Care-Perspektiven. Dr. Paula Walk, Referentin im Brandenburgischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Klimaschutz, und Vivien Eichhorn von Wertewandel e.V. gaben in Impulsvorträgen Einblicke in wissenschaftliche Forschung und zivilgesellschaftliche Praxis zu Rahmungen von Strukturwandelprozessen.

Der Workshop „Sozial-ökologische Transformation in Kommunen gestalten: Gleichstellung und Klimapolitik zusammendenken“, moderiert von Dr. Johanna Storck, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Bundesstiftung Gleichstellung, beleuchtete, wie Maßnahmen der Klimapolitik geschlechtergerecht gestaltet und Kooperationen zwischen Gleichstellungs- und Klimaschutzakteur*innen auf kommunaler Ebene gestärkt werden können. Dazu stellte Pat Bohland von LIFE e.V. ein Forschungsprojekt zur geschlechtergerechten Gestaltung von Klimaschutzmaßnahmen vor. Sina Englert von der Stadt Rüsselsheim, Lina-Luise Hölter von der Stadt Oldenburg und Simone Krischke vom Referat für Klima- und Umweltschutz der Stadt München lieferten mit Beispielen aus der Kommunalarbeit konkrete Anknüpfungspunkte für die Praxis.

Den ersten Tag des Fachtages rundete ein kulturelles Abendprogramm ab: Katharina Linnepe las aus ihrem aktuellen Buch ‚Wenn das Patriarchat in Therapie geht‘. Mit einem humorvollen und zugleich kritischen Blick auf die Geschlechterverhältnisse bot der Beitrag die Möglichkeit zur Reflexion und zum Ausklang des ersten Tages.

Paneldiskussion: „Wie schaffen wir eine geschlechtergerechte und gute Zukunft in Strukturwandelregionen?“

Nach der zweiten Workshop-Phase am zweiten Tag diskutierten im Rahmen einer Paneldiskussion Dr. Virginia Kimey Pflücke, Akademische Mitarbeiterin an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg, Katja Henze, kommunale Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Weißenfels und Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Gleichstellungsstellen und Frauenbüros, Dr. Tessa Hillermann, Referatsleitung im Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit Saarland, Sok Kierng Elisa Ly, Referentin für Jugendbildung und -beteiligung beim Dachverband der Migrant*innenorganisationen in Ostdeutschland DaMOst e.V. und Franziska Rauchut, Co-Leitung des Bereichs Wissen, Beratung und Innovation der Bundesstiftung Gleichstellung, zentrale gleichstellungsrelevante Herausforderungen und konkrete Umsetzungspraktiken für eine geschlechtergerechte Gestaltung von Strukturwandelprozessen.

Die Diskussion verdeutlichte zunächst, dass Lebensverhältnisse in ihrer Vielfalt, Care-Arbeit, Migration und demokratische Kultur in Strukturwandelprozessen vielfach unterbelichtet bleiben, obwohl hier wichtige Gelegenheitsfenster entstehen. Die Panelist*innen betonten, dass Verwaltung die Folgen von Strukturwandel für Gleichstellung aktiv steuern müsse. Kritisch hinterfragt wurden technik- und industriezentrierte Strategien, die bestehende Ungleichheiten verschärfen könnten, etwa durch die Priorisierung männlich dominierter Industrieberufe. Auch das Thema Migration wurde aufgegriffen: Fachkräftegewinnungsstrategien müssen mit Antirassismus und fairen Arbeitsbedingungen verzahnt werden, um tatsächliche Teilhabe zu ermöglichen.

Die kommunale Perspektive spielte eine zentrale Rolle in der Diskussion. Heterogene Rechtslagen, knappe Ressourcen und fehlende Daten erschweren gleichstellungsorientierte Governance auf kommunaler und regionaler Ebene. Daseinsvorsorge – von Kinderbetreuung bis Geburtsstationen – ist entscheidend für die Attraktivität von Regionen und müsse bei der Mittelvergabe in Strukturwandelmaßnahmen mitgedacht werden. Diskutiert wurde auch die Bedeutung von Sprache und Narrativen: Fachsprachliche Präzision sei notwendig, zugleich brauche es anschlussfähige Erzählungen, um breite Bündnisse zu bilden.

Abschließend wurden konkrete Empfehlungen formuliert: Gleichstellung solle verbindlich in Strategien, Programmen, Vergaben und Monitoringsystemen verankert werden. Gefordert wurden intersektionale, geschlechterdifferenzierte Datenanalysen, paritätisch besetzte Gremien sowie die Stärkung kommunaler Gleichstellungsstellen. Forschung, Vernetzung und Transfer zu geschlechtergerechtem Strukturwandel solle verstetigt werden.

Resümee

Der Fachtag „In guter Gesellschaft?! Gleichstellungspolitische Chancen und Herausforderungen in Strukturwandelregionen“ integrierte Forschungsergebnisse und Praxiswissen. Er bot ein Forum für fachliche Diskussionen, den Transfer aktueller, evidenzbasierter Erkenntnisse sowie für die Vernetzung relevanter Akteur*innen.

Die beiden Tage endeten mit einem Resümee von Franziska Rauchut, Co-Leitung des Bereichs Wissen, Beratung und Innovation der Bundesstiftung Gleichstellung, in dem sie verdeutlichte: Strukturwandelpolitik muss soziale, geschlechter- und demokratiepolitische Dimensionen von Anfang an mitdenken und regionale Unterschiede ernst nehmen, um Ungleichheiten nicht zu reproduzieren. Neben Parität in Entscheidungs- und Beratungsgremien und dem Ausbau von Care-Infrastruktur brauche es dazu geschlechtersensible Förderkriterien und Instrumente wie Gender Budgeting, Gleichstellungsberichte und -checks. „Strukturwandelprozesse sind geprägt von komplexen Herausforderungen und vielfältigen Gelegenheitsfenstern. Der Blick durch diese Fenster muss intersektional, nachhaltig, geschlechtergerecht und demokratisch geprägt sein, um eine lebenswerte Zukunft für alle Menschen und alle Geschlechter abzusichern“, so Franziska Rauchut.

Das Team der Bundesstiftung Gleichstellung dankt allen Referent*innen und Aktiven sowie allen Teilnehmenden für ihre engagierten Beiträge.

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Bundesstiftung Gleichstellung vielfältig präsent

Die Bundesregierung lud zum Tag der offenen Tür ein: Am 23. und 24. August öffnete auch das Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend neben dem Bundeskanzleramt, dem Bundespresseamt und den anderen Bundesministerien seine Pforten und ermöglichte einen Blick hinter die Kulissen.

Die Bundesstiftung Gleichstellung war mit einem Infostand vertreten, an dem Interessierte mit Mitarbeitenden der Stiftung zur Stiftungsarbeit und zu konkreten Maßnahmen für mehr Geschlechtergerechtigkeit ins Gespräch kamen. Bei einem Quiz konnten die Besucher*innen außerdem ihr Wissen über Zahlen, Daten und Fakten rund um Gleichstellung unter Beweis stellen und gegeneinander antreten.

Inhaltlich war die Stiftung darüber hinaus mit einem Programmpunkt am ersten Veranstaltungstag präsent. Das Bühnengespräch „Gleichstellung im Strukturwandel – Schlüssel zur gesellschaftlichen Resilienz und Demokratiestärkung“ rückte Gleichstellung als eine zentrale Gelingensbedingung für einen erfolgreichen Strukturwandel in den Mittelpunkt. Denn der durch die Dekarbonisierung, Digitalisierung und den demographischen Wandel entstandene Strukturwandel ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung für Deutschland, die nicht nur den Arbeitsmarkt, sondern die Lebensverhältnisse vor Ort insgesamt betrifft.

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Gleichstellungs-Lunch: Intersektionalität und Gleichstellung

Intersektionale Perspektiven beleuchten, wie sich weitere Machtverhältnisse und Diskriminierungsformen – bspw. aufgrund von Rassifizierung, sexueller Orientierung, Behinderung oder sozialem Status – überschneiden und Geschlechterungleichheiten verstärken können. Wer die Gleichstellung der Geschlechter wirklich erreichen will, muss diese Vielschichtigkeit anerkennen. Darin liegen zugleich Herausforderungen für Gleichstellungsarbeit und -forschung, denn standardisierte Vorgehensweisen gibt es nicht. Es braucht kontextspezifische, differenzierte Herangehensweisen sowie die Bereitschaft, Strukturen, Daten und sich selbst kritisch zu hinterfragen. Nur mit Intersektionalität können wir eine geschlechtergerechte Gesellschaft gestalten, die möglichst niemanden zurücklässt. Diese Themen hat Dr. Arn Sauer, Direktor der Bundesstiftung Gleichstellung, beim Gleichstellungs-Lunch am 10. September 2025 vertieft.

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Neues Format: Gleichstellungs-Lunch

Mit unserem neuen Online-Format „Gleichstellungs-Lunch“ wollen wir als Bundesstiftung Gleichstellung alle 14 Tage über unsere Arbeit und aktuelle Trends aus der Gleichstellungspolitik und -forschung informieren.

Wir laden Euch herzlich ein, in 25 Minuten Informationen und Denkanstöße für Euren Arbeitsalltag, Ehrenamt, Ausbildung oder Studium mitzunehmen. Mitarbeiter*innen der Stiftung geben jeweils um 13 Uhr Einblicke und Analysen zu aktuellen gleichstellungspolitischen Themen, relevanten Studien oder gleichstellungspolitischen Konzepten und Gesetzesvorhaben.

Alle Termine findet Ihr in unserem Kalender.

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Gleichstellungs-Lunch: Weite Felder, starre Mauern? Das Zusammenwirken kulturpolitischer Praxis und praktischer Gleichstellungpolitik

Kulturpolitik und Gleichstellungspolitik sind Fundamente und Verstärker gesellschaftlichen Zusammenhalts. Beide. Gemeinsam. Welche Rolle spielen hierbei Förderinstrumente, Netzwerke und engagierte Wahlverwandtschaften? Diese Themen hat Franziska Kohse aus dem Bereich Leitungsstab, Gremien und Vernetzung beim Gleichstellungs-Lunch am 27. August 2025 vertieft.

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Rechtswissenschaftliches Fachgespräch zur Studie „Keine halben Sachen. Nicht-binäre Personen im Gleichstellungsrecht“

Am 28. Juli 2025 veranstaltete die Bundesstiftung Gleichstellung ein Fachgespräch zur Studie „Keine halben Sachen. Nicht-binäre Personen im Gleichstellungsrecht“. Die 2024 von der Bundesstiftung Gleichstellung herausgegebene Studie wurde von den Autor*innen Nick Markwald und Friederike Boll im Rahmen der digitalen Veranstaltung vorgestellt. Die Autor*innen diskutierten gemeinsam mit Expert*innen aus den Rechtswissenschaften und der juristischen Praxis sowie Mitarbeitenden der Bundesstiftung Gleichstellung zu Möglichkeiten und Grenzen, Geschlechtervielfalt im Gleichstellungsrecht und in der Gleichstellungspraxis zu berücksichtigen.

Moderiert wurde die Veranstaltung von Mona Lach und Sarah Molter, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen des Bereichs Wissen, Beratung, Innovation der Bundesstiftung Gleichstellung.

Franziska Rauchut, Co-Leitung des Bereichs Wissen, Beratung, Innovation der Bundesstiftung Gleichstellung, führte in die Thematik ein. Ausgangspunkt der Beschäftigung mit dem Thema Geschlechtervielfalt in der Bundesstiftung Gleichstellung war die Beobachtung eines Spannungsverhältnisses: Geschlechtervielfalt ist gesellschaftliche Realität und mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur sogenannten „Dritten Option“ auch rechtlich anerkannt. Während wissenschaftliche Forschung und Recht zunehmend Geschlechtervielfalt berücksichtigen, bleibt die institutionalisierte Gleichstellungspolitik in ihren Strukturen und Instrumenten weiterhin oft binär geprägt. Gleichstellungspraxis und -politik stehen vor der Herausforderung, diese Ungleichzeitigkeit zu bearbeiten.

In der Studie „Keine halben Sachen. Nicht-binäre Personen im Gleichstellungsrecht“ analysieren Nick Markwald und Friederike Boll, wie nicht-binäre Personen im geltenden Gleichstellungsrecht berücksichtigt werden. Sie untersuchen, welche rechtsmethodischen Ansätze geeignet sind, um die rechtliche Situation nicht-binärer Personen angemessen zu erfassen und zeigen auf, an welchen Stellen Handlungs- und Reformbedarfe bestehen. Die Studie in voller Länge steht hier zum Download bereit.

Nick Markwald stellte die zentralen Studienergebnisse vor.

Anschließend wurde diskutiert, auf welcher gesetzlichen Grundlage ein Gleichstellungsgebot und Fördermaßnahmen zugunsten nicht-binärer Personen gewährleistet werden können bzw. müssen und in welchem Verhältnis diese Auslegungen zu verschiedenen rechtsmethodischen Lesarten stehen. Im Zentrum des Fachgesprächs stand Art. 3 Abs. 2 und 3 des Grundgesetzes (GG) als verfassungsrechtliche Grundlage geschlechtlicher Gleichstellung und Nichtdiskriminierung und die Frage nach dem Einbezug nicht-binärer Personen in den staatlichen Gleichstellungsauftrag.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland – Artikel 3

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Die Studie argumentiert, dass Art. 3 Abs. 3 GG, der das Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts enthält, auch nicht-binäre Personen eindeutig vor einer Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts schütze. Ein staatlicher Handlungsauftrag zur Durchsetzung tatsächlicher Gleichberechtigung bzw. zur Beseitigung von Nachteilen, wie er in Art. 3 Abs. 2 GG formuliert ist, ergebe sich jedoch nicht unmittelbar für nicht-binäre Personen: Denn Art 3. Abs. 2 GG bezieht sich in seiner Formulierung auf die binären Kategorien Männer und Frauen.

Die Autor*innen arbeiten in der Studie heraus, wie sich ein staatlicher Handlungsauftrag zur Förderung nicht-binärer Personen über grundrechtliche Schutzpflichten begründen ließe. So hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung ausdrücklich auf die besondere Vulnerabilität nicht-binärer Personen hingewiesen.

Mehrere Diskutierende sprachen sich dafür aus, den Schutz vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gemäß Art. 3 Abs. 3 GG zu stärken und diesen auf Grundlage einer materiell-asymmetrischen Lesart auszulegen, welche die gesellschaftlichen Verhältnisse hinter den Diskriminierungsmerkmalen in den Blick nimmt. Eine solche Auslegung würde es ermöglichen, auch aktive Gleichstellungsmaßnahmen zugunsten nicht-binärer Personen zu legitimieren. Im Rahmen einer formal-symmetrischen Lesart hingegen, nach der das Recht soziale Ungleichheiten und gesellschaftliche Verhältnisse nicht adressieren sollte, ließen sich Fördermaßnahmen und Nachteilsausgleiche für nicht-binäre Menschen durch Art. 3 Abs. 3 GG jedoch kaum begründen.

Die Frage, inwiefern sich ein Gleichstellungsauftrag für nicht-binäre Personen auch durch Art. 3 Abs. 2 GG ableiten lässt, stellt sich insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese Norm die Grundlage vieler gleichstellungspolitischer Institutionen bildet.

Im Verlauf des Fachgesprächs wurde betont, dass Art. 3 Abs. 2 GG in seinem historischen Kontext und in seiner Entstehungsgeschichte verstanden werden müsse. Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage, ob und wie dieser Gleichstellungsauftrag verfassungskonform auch auf nicht-binäre Personen ausgeweitet werden könne, etwa über die Anwendung von Analogien. Die Autor*innen arbeiten in der Studie heraus, wie die Anwendung von Analogien umsetzbar ist, an welchen Stellen sie jedoch auch an ihre Grenzen stößt.

Die Diskussion machte deutlich: Eine rein formale Lesart des Art. 3 Abs. 2 GG greift zu kurz, wenn Gleichstellung verwirklicht werden soll, die Geschlechtervielfalt anerkennt. Es braucht neue Wege, um nicht-binäre Personen systematisch mitzudenken – sowohl rechtlich als auch politisch. Dabei wurde betont, wie wichtig es ist, gleichstellungspolitische Errungenschaften nicht gegeneinander auszuspielen. Vielmehr sollte bestehende Gleichstellungspolitik hinsichtlich der Berücksichtigung von Intersektionalität und vielfältigen Geschlechtern und Geschlechtsidentitäten gestärkt und weiterentwickelt werden.

Es diskutierten:

  • Thomas Altgeld, Vorsitzender des Bundesforums Männer, Mitglied des Stiftungsbeirates der Bundesstiftung Gleichstellung
  • Friederike Boll, Fachanwältin für Arbeitsrecht
  • Pauline Hachenberg, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Wissen, Beratung, Innovation Bundesstiftung Gleichstellung
  • Dr. Ronja Heß, Rechtswissenschaftlerin Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
  • Kathleen Jäger, LL.M., wissenschaftliche Mitarbeiterin Humboldt-Universität zu Berlin
  • Nick Markwald, wissenschaftliche Mitarbeit und Promotion Europa-Universität Flensburg
  • Jacqueline Melzer, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Gleichstellungsberichte Bundesstiftung Gleichstellung
  • Kathrin Niedenthal, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Sozialrecht
  • Prof. Dr. Konstanze Plett, LL.M., Professorin i.R. Universität Bremen
  • Franziska Rauchut, Co-Leitung Bereich Wissen, Beratung, Innovation Bundesstiftung Gleichstellung
  • Dr. Arn Sauer, Co-Direktor Bundesstiftung Gleichstellung

Das Team der Bundesstiftung Gleichstellung dankt den Studienautor*innen und allen Teilnehmenden.

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Gleichstellungs-Lunch: Schlaglichter: Stand der Gleichstellung in Deutschland

Das Grundgesetz formuliert in Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 das Staatsziel, die Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und bestehende Nachteile zu beseitigen. Wie steht es eigentlich um die Gleichstellung in Deutschland? Diese Themen hat Pauline Hachenberg aus dem Bereich Wissen, Beratung, Innovation beim Gleichstellungs-Lunch am 13. August 2025 vertieft.

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Neues Format: Gleichstellungs-Lunch

Mit unserem neuen Online-Format „Gleichstellungs-Lunch“ wollen wir als Bundesstiftung Gleichstellung alle 14 Tage über unsere Arbeit und aktuelle Trends aus der Gleichstellungspolitik und -forschung informieren.

Wir laden Euch herzlich ein, in 25 Minuten Informationen und Denkanstöße für Euren Arbeitsalltag, Ehrenamt, Ausbildung oder Studium mitzunehmen. Mitarbeiter*innen der Stiftung geben jeweils um 13 Uhr Einblicke und Analysen zu aktuellen gleichstellungspolitischen Themen, relevanten Studien oder gleichstellungspolitischen Konzepten und Gesetzesvorhaben.

Alle Termine findet Ihr in unserem Kalender.

Feministische Führungs­kultur

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Gleichstellungs-Lunch: Gleichstellungs-Check im Gesetzgebungsverfahren

Gesetze müssen bereits in ihrer Entstehung daraufhin geprüft werden, welche Folgen sie auf die Geschlechter haben und ob mit dem Vorhaben Gleichstellung gefördert werden kann. Wie funktioniert eine solche Prüfung? Warum fördert sie rechtskonformes und effizientes Verwaltungshandeln? Diese Themen hat Dr. Jana Hertwig aus dem Bereich des Gleichstellungs-Checks beim Gleichstellungs-Lunch am 30. Juli 2025 vertieft.

Die Präsentation stellen wir zum Download zur Verfügung (Nutzung nur für nicht-kommerzielle Zwecke gestattet).

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Gleichstellungs-Lunch: Jugendbeteiligung und Gleichstellung

Für junge Menschen sind Demokratieerfahrungen essentiell, um ihr Vertrauen in unser Gemeinwesen auszubilden. Warum gelungene Beteiligungserlebnisse auch geschlechtergerecht gestaltet sein müssen und was das mit unserer Demokratie insgesamt zu tun hat? Yvonne Everhartz aus dem Bereich Leitungsstab, Gremien und Vernetzung, hat diese Themen beim Gleichstellungs-Lunch am 16. Juli 2025 vertieft.

Die Präsentation stellen wir zum Download zur Verfügung (Nutzung nur für nicht-kommerzielle Zwecke gestattet).

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