Seit 2007 gibt es in Deutschland das Elterngeld. Es wird allgemein als Paradigmenwechsel in der deutschen Familienpolitik und als Weg hin zu einer besseren Aufteilung familiärer Sorgearbeit gesehen. Seit 2015 können Eltern zwischen einem Vollzeit-Elterngeldbezug und einer flexibilisierten Variante, dem „Elterngeld Plus“, wählen.
Seit der Einführung beziehen kontinuierlich mehr als 98 % der Mütter Elterngeld, in der Mehrheit länger als 10 Monate. Bei Vätern steigt der Anteil derer, die Elterngeld beziehen: 2007 waren es rund 20 %, 2019 bereits 43 %. Die durchschnittliche Dauer des Bezugs bleibt bei den Vätern recht konstant bei 3,3 Monaten. Dreiviertel beziehen allerdings lediglich zwei Monate Elterngeld, die meisten Väter parallel zur Mutter: Im ersten Lebensmonat des Kindes sind es 43 % derer, die Elterngeld beziehen, im zweiten Lebensmonat 20 %. Wenn Väter alleine Elterngeld beziehen, dann am häufigsten im 13. und 14. Lebensmonat des Kindes, hier liegt ihr Anteil bei 20 %. Allerdings nutzen in dieser Zeit viele Mütter Elternzeit ohne Elterngeldbezug, um Zeit mit Partner und Kind zu verbringen.
Der „Väterreport 2023“ macht deutlich: Für eine gleichberechtigtere Aufteilung familiärer Sorgearbeit im Lebensverlauf ist die frühe alleinige Verantwortungsübernahme durch den zweiten Elternteil wichtig. Die Kommission für den Neunten Familienbericht der Bundesregierung schlägt ein symmetrisches Elterngeld-Konzept vor. Dabei sollen jeweils drei Monate für jeden Elternteil exklusiv reserviert sein, acht weitere Monate können zwischen beiden Elternteilen aufgeteilt werden. Es wird vorgeschlagen, die Kompensationsleistung dynamisch zu gestalten. Je partnerschaftlicher die Aufteilung, umso höher die Ersatzrate, damit weitere Anreize zu einer ausgewogeneren Aufteilung der Elternzeit zwischen Mutter und Vater geschaffen werden. Zudem hat die Berichtskommission empfohlen, den gleichzeitigen Bezug des Elterngeldes auf einen Monat zu beschränken.
Im November 2023 haben sich die Koalitionsfraktionen auf Änderungen beim Elterngeld geeinigt. Für Geburten ab dem 1. April 2024 wird neben der Anpassung der Grenze des zu versteuernden Jahreseinkommens (Einkommensgrenze), ab der der Anspruch auf Elterngeld entfällt, auch die Möglichkeit des gleichzeitigen Bezugs von Elterngeld neu geregelt. Ein Parallelbezug von Basiselterngeld wird künftig nur noch für maximal einen Monat bis zum 12. Lebensmonat des Kindes möglich sein. Ausnahmen wird es beim „Elterngeld Plus“, beim Partnerschaftsbonus sowie bei Mehrlingsgeburten und Frühgeburten geben. Eine repräsentative Umfrage zu den Neuregelungen beim Elterngeld, die im Auftrag des BMFSFJ durchgeführt wurde, zeigt, dass die Mehrheit der Bürger*innen die Neuregelung des Elterngeldbezugs begrüßt. Es gibt allerdings auch kritische Stimmen.
Um diese verschiedenen Perspektiven aufzugreifen, haben wir zwei gleichstellungspolitisch engagierte Verbandsvertreterinnen, die sich in den vergangenen Monaten zur Neuregelung des Elterngeldbezugs unterschiedlich positioniert haben, um ein Statement gebeten.
Sophie Schwab ist seit 2023 Geschäftsführerin des Zukunftsforum Familie e. V. (ZFF), dem familienpolitischen Fachverband der AWO. Das ZFF versteht sich als Scharnier zwischen Familien, Fachpraxis, Wissenschaft und Politik und widmet sich u. a. den Themen Kinderarmut, Zeitpolitik und vielfältigen Familienformen.
Katharina Desery ist Gründungs- und Vorstandsmitglied sowie Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von Mother Hood e. V. Der Verein Mother Hood setzt sich seit 2015 für sichere Geburten und die Rechte von Frauen und Familien ein und fordert u. a. eine bessere geburtshilfliche Versorgung.