Repräsentanz und Teilhabe von Frauen in der Politik

Auf einen Blick

Seit über 100 Jahren dürfen Frauen wählen und gewählt werden. Obwohl Frauen in den letzten Dekaden in Politik und Gesellschaft deutlich sichtbarer geworden sind und mit Angela Merkel von 2005 bis 2021 erstmals eine Frau als Bundeskanzlerin die Regierung in Deutschland anführte, ist der Blick in die deutschen Parlamente ernüchternd. Sei es auf kommunaler Ebene, auf Landes- oder Bundesebene: In allen Parlamenten sind Frauen in der Minderheit, ihr Anteil ist sogar rückläufig.

Die Ursachen sind vielfältig und haben ihren Kern in sich hartnäckig haltenden tradierten Rollenerwartungen an Frauen und Männer. Gleichstellung ist hier noch nicht erreicht. Strukturelle Barrieren und männlich geprägte Parteikulturen erschweren Frauen noch immer den Zugang zu politischen Ämtern. Wie die Beteiligung von Frauen in der Politik künftig erhöht werden kann und politische Mandate zu gleichen Anteilen an Frauen und Männer verteilt werden können (Parität), wird in Politik und Zivilgesellschaft intensiv diskutiert. In vielen anderen Ländern ist eine gleichberechtigte politische Teilhabe von Frauen und Männern längst normal. Mit Platz 58 im weltweiten Ranking weiblicher Anteile in nationalen Parlamenten hat Deutschland viel aufzuholen.

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von Sheyda Weinrich

Politik wird nach wie vor hauptsächlich von Männern gestaltet. Dabei sind Parlamente der Ort an dem die Grundlagen für ein gutes Zusammenleben geschaffen werden und das Land politisch wie gesellschaftlich gestaltet wird. Sie bilden das Herzstück einer parlamentarischen Demokratie. Hier müssen Frauen und Männer in ihrer Vielfalt, mit und ohne Migrationshintergrund, alt oder jung, die gleichen Zugangschancen haben und mitgestalten können. Eine ausgeglichene Repräsentanz von Frauen und Männern in Parlamenten ist notwendig für eine gleichberechtigte demokratische Teilhabe aller Bürger*innen und für einen gleichberechtigten Einfluss auf staatliches Handeln. Beispiele aus der Vergangenheit zeigen, dass positive Veränderungen in der Lebenssituation von Frauen oft dann erst erreicht werden konnten, wenn sich die wenigen weiblichen Abgeordneten im Bundestag fraktionsübergreifend zusammenschlossen, um notwendige Reformen anzustoßen, z. B. bei der Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs (1992), bei der Beseitigung der Straffreiheit der Vergewaltigung in der Ehe (1997), bei der Einführung des Prinzips „Nein heißt Nein“ im Sexualstrafrecht (2016) (Laskowski 2014: 96 f.; Lukoschat et al. 2019: 26) oder bei der Verabschiedung des Gewalthilfegesetzes (2024). Auch die Frage, wie der Frauenanteil im Parlament erhöht werden könnte, war bereits Thema interfraktioneller Treffen weiblicher Abgeordneter und beschäftigte bis Mai 2023 die Wahlrechtskommission des Deutschen Bundestages. Die politischen Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte lehren: Je weniger Frauen in den Parlamenten vertreten sind, umso schlechter die Aussichten, dass Themen, die sie unmittelbar betreffen, auch auf die Agenda gesetzt werden.

Quellen: Deutscher Bundestag (2025), Gleichstellungsatlas (2025).

Um den Zugang von Frauen zu politischen Ämtern zu verbessern und ihnen zu ermöglichen, die Zukunft des Landes gleichberechtigt mitzugestalten, wird in den letzten Jahren verstärkt darüber diskutiert, wie der Frauenanteil insbesondere mit gesetzlichen Instrumenten erhöht und eine paritätische Verteilung der Mandate zwischen Frauen und Männern in den Parlamenten erreicht werden kann.

Frauenanteil in den Parlamenten und Parteien in Deutschland

Von 1949 bis in die frühen 1980er Jahre lag der Frauenanteil im Deutschen Bundestag der BRD durchgängig bei weniger als zehn Prozent. Erst in den 1990er Jahren stieg der Anteil auf über 20 Prozent an und betrug 1998 erstmals über 30 Prozent. 2013 wurde der bisherige Höchststand von 37,1 Prozent erreicht – noch nie lag der Frauenanteil im Deutschen Bundestag höher. Seitdem sinkt ihr Anteil wieder: Bei der Bundestagswahl 2021 verringerte sich der Frauenanteil auf rund 35 Prozent und bei der Bundestagswahl 2025 weiter auf 32,4 Prozent (bpb 2017; Deutscher Bundestag 2017, 2021, 2023, 2025). Auch in der Volkskammer der DDR waren Männer von Beginn an in der Mehrheit – wenn auch der Frauenanteil zu seiner Zeit mit 23 bis 32 Prozent im Laufe der Jahre deutlich höher lag als in der BRD (Bock 2018). Dem 21. Deutschen Bundestag gehören von 630 Abgeordneten nur 204 Frauen an (Deutscher Bundestag 2025). Damit ist Deutschland deutlich unter den EU-Durchschnitt gesunken (Statista 2023). Das Bundeskabinett ist im Verhältnis 8:10 mit Frauen und Männern weiterhin nicht paritätisch besetzt.

Noch nie lag der Frauenanteil im Bundestag höher als bei 37,1 Prozent.

In den Länderparlamenten schwankt der Frauenanteil zwischen 24,6 Prozent in Bayern und 43,9 Prozent in Hamburg (Gleichstellungsatlas 2025). Nur zwei von 16 Bundesländern haben eine Ministerpräsidentin (BMI 2025). Den geringsten Frauenanteil hat die kommunale Ebene. In den kommunalen Parlamenten liegt er durchschnittlich bei nur 30,5 Prozent. Mit nur 13,5 Prozent Bürgermeisterinnen und 11,7 Prozent Oberbürgermeisterinnen bundesweit liegt fast 90 Prozent der kommunalen Regierungsverantwortung bei Männern (Helene Weber Kolleg 2024).

Auf kommunaler Ebene ist der Frauenanteil am geringsten. Fast 90 Prozent der kommunalen Regierungsverantwortung liegt bei Männern.

In den Parteien sind Frauen in unterschiedlichem Umfang aktiv. Mit einem Anteil von 18,7 Prozent Frauen unter den Parteimitgliedern ist die AfD Schlusslicht. Den höchsten Anteil haben Bündnis 90/Die Grünen mit 42,3 Prozent. Dazwischen liegen Die Linke: 36,8 Prozent; SPD: 33,1 Prozent; CDU: 26,6 Prozent; FDP: 20,1 Prozent; CSU: 21,6 Prozent (Statista 2021).

Ursachen für die geringe Repräsentanz von Frauen

Für die geringe Vertretung von Frauen in den Parlamenten lassen sich verschiedene Ursachen identifizieren. Zum einen sind es vor allem strukturelle Benachteiligungen, die sich auf die Teilhabemöglichkeit von Frauen auswirken und sich auf veraltete Rollenbilder des 19. Jahrhunderts zurückführen lassen, in denen Männer für die Politik und Öffentlichkeit zuständig waren und Frauen für das Private und die Familie. Die Folgen dieser Aufteilung haben bis heute Einfluss auf die Studien- und Berufswahl von jungen Frauen und Männern, auf die Zuschreibung der Zuständigkeit von Frauen für die Familie, auf zeitliche und materielle Ressourcen und nicht zuletzt auf die geringe Präsenz von Frauen in Parteien und Parlamenten (Lukoschat et al. 2019: 19). Zum anderen stellt für die politische Karriere von Frauen vor allem der Aufstieg die größte Herausforderung dar. Im Wesentlichen werden sie seltener nominiert. Um auf den Landeslisten oder für ein Direktmandat aufgestellt zu werden, müssen Frauen durch ein langwieriges internes, mitunter intransparentes, Personalauswahlverfahren. Über den Erfolg bestimmen insbesondere Netzwerke, Machtstrukturen und die Organisationskultur der Parteien, die oft kulturell stark männlich und von Diskriminierung geprägt sind. Das zeigt sich darin, dass Frauen weniger zugetraut wird, sie auf familienpolitische Themen reduziert werden, ihren Redebeiträgen weniger Bedeutung beigemessen wird oder sie sexistischen Sprüchen ausgesetzt werden (ebd.; Lukoschat/Belschner 2019: 10; Kletzing/Lukoschat 2010: 8 ff.; Lukoschat/Köcher 2021: 13 f.).

Untersuchungen auf kommunaler Ebene zeigen, dass Frauen oft erst dann nominiert werden, wenn der Platz als zu wenig aussichtsreich erscheint oder sich schlicht niemand anderes zur Wahl aufstellt (Lukoschat et al. 2019: 19 f.). Insbesondere Direktmandate erringen Frauen deutlich seltener (Bundeswahlleiter 2022: 12; Blome/Müller 2021: 715). Dazu fehlt Frauen vielmals die Zeit und das Geld, um Netzwerke zu knüpfen, sie zu pflegen, an zeitintensiven Gremiensitzungen, die oft erst spät am Abend stattfinden, teilzunehmen oder einen Wahlkampf zu finanzieren. Denn es sind immer noch Frauen, die, neben familiären und beruflichen Verpflichtungen, den höchsten Anteil unbezahlter Sorgearbeit übernehmen und die, wegen ihrer oft schlechteren Stellung auf dem Arbeitsmarkt, weniger verdienen als Männer. Gesellschaftliche Strukturen und das parteiinterne Nominierungsverfahren des geltenden Wahlrechts erschweren Kandidaturen von Frauen (Lukoschat et al. 2019: 19; Lukoschat/Belschner 2019: 10; Kletzing/Lukoschat 2010: 8 ff.).

Vor allem der politische Aufstieg stellt für Frauen die größte Herausforderung dar.

Wege zu mehr Frauen in den Parlamenten

Auf welche Weise könnte Parität in den Parlamenten verwirklicht werden? Der Anstieg des Frauenanteils seit den 1990er Jahren ist vor allem parteiinternen Quotenregelungen zu verdanken. Fast alle Parteien haben über ihre Satzungen in den vergangenen Jahren Regelungen geschaffen, die den Zugang von Frauen zu politischen Mandaten verbessern sollen. Dabei sind die Regelungen unterschiedlich weitgehend ausgestaltet und verbindlich, sodass sie sich in ihrer Wirkung unterscheiden. Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE haben eine 50-Prozent-Frauenquote für parteiinterne Ämter, Mandate und für die Besetzung ihrer Wahllisten (Bündnis 90/Die Grünen 2022: 21; Die Linke 2022: 11). Die SPD hat eine 40-Prozent-Quote für Ämter und Listenplätze (SPD 2021: 18 f.), die CDU hat jüngst eine Frauenquote für Vorstandsämter ab der Kreisebene eingeführt, die von 2023 bis 2025 von einem Drittel bis zu 50 Prozent stufenweise erhöht wird. Bei Aufstellung der Landeslisten für die Wahlen zum Europaparlament, dem Deutschen Bundestag und in den Landesparlamenten sollen ab 1.1.2023 mindestens eine Frau, ab 1.1.2024 mindestens vier Frauen und ab 1.11.2025 mindestens 5 Frauen unter den ersten zehn Listenplätzen vorgeschlagen werden (CDU 2025: 12 ff.). Die CSU hat eine 50-Prozent-Soll-Regelung für ihre Ämter eingeführt und zu den Bundestagswahlen 2021 und 2025 ihre Wahlliste paritätisch mit Frauen und Männern besetzt (CSU 2019: 12). Die FDP setzt auf Zielvereinbarungen, bei denen der Bundesverband und die Landesverbände miteinander Ziele zur Steigerung des Frauenanteils vereinbaren können. Hierbei handelt es sich nicht um verpflichtende Quotenregelungen (FDP 2019: 1 f.). Die AfD lehnt jegliche Maßnahmen zur Frauenförderung ab (AfD 2025: 7).

Der Anstieg des Frauenanteils seit den 1990er Jahren ist vor allem parteiinternen Quotenregelungen zu verdanken.

Am Beispiel des Bundestages zeigt sich die Wirkung verbindlicher Quotenregelungen bei der Aufstellung der Kandidaturen deutlich. Die Anzahl weiblicher Abgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE überwiegt seit Jahren die ihrer männlichen Kollegen. Bei der SPD liegt der Frauenanteil mit etwas mehr als 40 Prozent noch über dem Durchschnitt, CDU/CSU liegen mit 22,6 und 25 Prozent deutlich darunter. Mit einem Frauenanteil von rund 12 Prozent ist die AfD Schlusslicht (Deutscher Bundestag 2025a). Frauen ziehen überwiegend über die Landeslisten in den Bundestag ein, seltener über Direktmandate. Für die Aufstellung der Direktkandidaturen fehlen in allen Parteien interne Quotenregelungen, was sich im Ergebnis niederschlägt und den Anstieg deutlich bremst. Im 21. Bundestag zogen nur 61 von den wenigen 204 Frauen insgesamt über ein Direktmandat in den Bundestag ein. Ihr Anteil liegt damit bei knapp unter zehn Prozent (Deutscher Bundestag 2025b).

Quelle: Deutscher Bundestag (2025b).

Die Frage, ob Paritätsgesetze das richtige Mittel darstellen, um den Frauenanteil in den Parlamenten zu erhöhen, wird seit einigen Jahren breit diskutiert. Und auch über eine Veränderung der Debatten- und Sitzungskultur wird zunehmend gesprochen. Mit Paritätsgesetzen würden verbindliche Regelungen für die Parteien entstehen, ihre Listen- und/oder Direktmandate paritätisch mit Frauen und Männern zu besetzen. In Thüringen und Brandenburg wurden 2019 erste Paritätsgesetze verabschiedet, die eine paritätische Besetzung der Wahllisten für die Landtagswahlen vorsahen (Landtag Thüringen 2019; Landtag Brandenburg 2019). Beide Landesparitätsgesetze wurden von den jeweiligen Landesverfassungsgerichten inzwischen aufgehoben (VerfGBbg 2019; VerfGH 2020).

Andere Bundesländer diskutieren weiterhin darüber (z.B. Saar-SPD 2022: 47). Und auch bei den kommunalen Frauenbeauftragten (z.B. Gleichstellungsbüro Stadt Göttingen 2022: 15 f.) und den Landesfrauenräten (z.B. Landesfrauenrat Berlin o.J.) steht die Debatte im Fokus. Im Bundestag beriet die Kommission zur Reform des Wahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit darüber, wie eine gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen und Männern im Deutschen Bundestag erreicht werden kann. Auch über ein Paritätsgesetz für den Bund wurde dabei diskutiert (Deutscher Bundestag 2022). Die Positionen der Sachverständigen in der Kommission gehen bei der Frage nach den Wegen weit auseinander – insbesondere bei der Frage, ob ein Paritätsgesetz mit dem Grundgesetz vereinbar sein kann, konnte keine Einigung erzielt werden (ebd.). Die von den Sachverständigen eingebrachten Vorschläge zur effektiven Erhöhung des Frauenanteils – darunter auch verschiedene Varianten eines Paritätsgesetztes –  hat die Reformkommission im Mai 2023 in ihrem Abschlussbericht festgehalten und dem Bundestag vorgelegt.

Parität im Ländervergleich – Frankreich als Vorbild

Was hierzulande noch diskutiert wird und Widerstand erfährt, ist woanders längst Realität. Viele Länder sorgen seit Jahren mit gesetzlichen oder freiwilligen Quotenregelungen für einen hohen Frauenanteil in ihren Parlamenten. Einen auffallend hohen Frauenanteil haben die skandinavischen Länder: Island (46 Prozent), Schweden (45 Prozent), Finnland (45,5 Prozent) und Norwegen (44,4 Prozent) (IPU Parline 2025). Diese haben freiwillige Quotenreglungen, die von den Parteien bei der Nominierung ihrer Kandidat*innen eingehalten werden (Laskowski 2022: 12 f.; Ferner 2022: 5 f.). Gleichberechtigung ist in diesen Ländern historisch bedingt auf vielen gesellschaftlichen Ebenen selbstverständlicher verankert und das schlägt sich auch in den politisch-institutionellen Rahmenbedingungen nieder. Dazu ist das Wahlsystem ein Verhältniswahlrecht mit Mehrpersonenwahlkreisen, bei dem die Kandidat*innen ausschließlich über Listen antreten (ebd.; Lukoschat et al. 2019: 26). Dies erleichtert eine Quotierung. Daneben haben folgende europäische Länder gesetzliche Vorgaben: Belgien, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Polen, Portugal, Slowenien und Spanien (Laskowski 2022: 12 ff.). Bis auf Frankreich haben alle genannten Länder ein Verhältniswahlsystem, das sich nur bedingt mit Deutschlands Wahlsystem vergleichen lässt. Dass die Regelungen wirken, zeigen die Beispiele Spanien und Frankreich. Der Frauenanteil in der französischen Nationalversammlung liegt immerhin bei 36 Prozent, im spanischen Parlament bei rund 44 Prozent (ebd.; IPU Parline 2025). Aufgrund seines Mehrheitswahlrechts könnte das im Jahr 2001 in Frankreich verabschiedete Parité-Gesetz als vergleichbares Vorbild für Deutschland dienen. Das Gesetz enthält im Kern Regelungen für die Aufstellung von Kandidaturen bei Kommunal- und Regionalwahlen sowie für die Nationalwahlen. Für die Wahllisten müssen die Parteien Frauen und Männer alternierend und zu gleichen Anteilen aufstellen, sonst wird die Liste zurückgewiesen oder finanziell sanktioniert. Und bei den Direktkandidaturen müssen die Parteien ebenso quotierte Vorschläge machen (Laskowski 2022: 12 f.; Ferner 2022: 5 f.; Lukoschat/Belschner 2019: 19 f.). Trotz dieser positiven Entwicklungen sind sowohl der Frauenanteil im Europäischen Parlament als auch die Anzahl der Regierungschefinnen in der Europäischen Union zuletzt zurückgegangen. Während der Frauenanteil im Parlament von 40,4 Prozent auf 38,5 Prozent gesunken ist, gibt es aktuell nur noch drei statt sechs Regierungschefinnen in der EU (Europäisches Parlament 2024; Europäischer Rat 2024).

Im weltweiten Vergleich hat Ruanda den höchsten Anteil an Frauen im nationalen Parlament mit knapp 64 Prozent (IPU Parline 2025). Mit dem Ende des Völkermords in Ruanda 1994 hatte sich die demografische Struktur im Land stark verändert. Frauen machten 70 Prozent der Bevölkerung aus und waren maßgeblich am Wiederaufbau des Landes beteiligt. Viele Frauen gingen erstmals in die Politik und erließen Gesetze, die Frauen mehr Rechte zusprachen. Auf Basis der VN-Resolution 1325 wurde Ruanda von der UN in der Gestaltung und Umsetzung nationaler Aktionspläne für Gleichstellung unterstützt. Politische Teilhabe von Frauen spielte dabei eine zentrale Rolle (UN Women Afrika o.J.). Daneben gehören nur noch Kuba (55,7 Prozent) und Nicaragua (55 Prozent) zu den Ländern, in deren Parlamenten Frauen derzeit ebenfalls in der Überzahl sind (IPU Parline 2025).

Parität und die Verfassung

Inwieweit Paritätsgesetze mit der Verfassung in Einklang stehen, wird rechtlich kontrovers diskutiert. Im Kern dreht sich die Debatte um die Frage, inwieweit gesetzliche Vorgaben für Parteien bei der Aufstellung ihrer Kandidat*innen in die grundrechtlich geschützte Parteienfreiheit in Art. 21, Abs. 1 Grundgesetz (GG) und in die Wahlrechtsgrundsätze nach Art. 38, Abs. 1 GG eingreifen und ob sich diese möglichen Eingriffe durch das Gleichstellungsgebot in Art. 3, Abs. 2 GG rechtfertigen lassen: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“  Gegner*innen sehen in Art. 3, Abs. 2 GG lediglich einen staatlichen Förderauftrag von Frauen, um Chancengleichheit zu schaffen, nicht aber die Durchsetzung tatsächlicher Gleichheit. Ein Paritätsgesetz ziele auf Ergebnisgleichheit und nicht auf Chancengleichheit ab und schieße über das Ziel in Art. 3, Abs. 2 GG hinaus. Befürworter*innen sehen in Art. 3, Abs. 2 GG ein staatliches Durchsetzungsgebot, das den Staat verpflichte, auf die tatsächliche Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern hinzuwirken und die Lebensverhältnisse in der Realität anzugleichen. Die Beschränkung auf Chancengleichheit sei nicht Sinn und Zweck des Art. 3, Abs. 2 GG. Beide Seiten berufen sich auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Lukoschat et al. 2019: 27; Laskowski 2022: 20).

Erst im Februar 2021 stellte das Bundesverfassungsgericht klar, der Gesetzgeber habe einen weiten Spielraum das Wahlrecht zu gestalten. Dabei können Paritätsgesetze ein legitimes Mittel sein, um dem Gleichstellungsgebot aus Art. 3, Abs. 2, S. 2 GG nachzukommen (BVerfG 2020: Rn. 112-113).

Der Gesetzgeber hat einen weiten Spielraum das Wahlrecht zu gestalten. Paritätsgesetze können ein legitimes Mittel sein, um dem Gleichstellungsgebot aus Art. 3, Abs. 2, S. 2 GG nachzukommen.

Freiwilligen, parteiinternen Regelungen, die den Parteien qua eigener Parteiensatzung eine paritätische Aufstellung ihrer Kandidat*innen vorschreiben, stehen verfassungsrechtlich keine Bedenken entgegen, da Parteien ihr Programm, ihre Organisation und ihre Wahlvorschläge nach dem Parteiengesetz (PartG) frei gestalten können.

Personen des „dritten Geschlechts“

Die Debatte um Parität dreht sich um die Beseitigung struktureller Nachteile für Frauen beim Zugang zum politischen Mandat. Hierbei stellt sich die Frage, inwieweit Rechte des sogenannten Dritten Geschlechtes bei Paritätsregelungen berücksichtigt werden können. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) stellte 2017 klar, dass auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, personenstandsrechtlich gegen Diskriminierung zu schützen seien (BVerfG 2017: Rn. 1-69). Im Rahmen einer Paritätsgesetzregelung Vorschläge zu entwickeln, die auch die Rechte von Personen mit drittem oder offen gelassenem Geschlechtseintrag gewährleisten, sind möglich und sprechen nicht gegen ein Paritätsgesetz. Das Thüringer Paritätsgesetz beispielsweise ermöglichte im Personenstandsregister als divers eingetragen Personen, unabhängig von der Reihenfolge der Listenplätze zu kandidieren und sich nicht für einen Frauen- oder Männerplatz entscheiden zu müssen. Um eine alternierende Besetzung der Liste mit Frauen und Männern weiter zu gewährleisten wurde geregelt, nach der diversen Person eine Frau aufzustellen, wenn auf dem Listenplatz vor der diversen Person ein Mann steht und umgekehrt (Landtag Thüringen 2019; Helene-Weber-Kolleg o. J.: o. S). Dass divers besetze Gremien grundsätzlich differenziertere Perspektiven in Entscheidungsprozesse einbringen, belegen längst Studien aus der Wirtschaft (Hunt et al. 2018; Riede 2023). Vielfältige Perspektiven im Parlament können eine ausgewogenere Politik für möglichst breite Teile der Gesellschaft ermöglichen und sollten als Gewinn betrachtet werden.

Fazit

Die geringe politische Beteiligung von Frauen ist ein strukturelles, historisch von tiefsitzenden stereotypen Rollenzuschreibungen geprägtes, Problem und kein individuelles. Solange Barrieren bestehen, die Frauen eine gleichberechtigte politische Teilhabe verwehren, ist das System undemokratisch und das Gleichstellungsgebot aus Artikel 3, Absatz 2, Satz 2 GG nicht erfüllt. Viele Vorschläge, die politische Beteiligung von Frauen zu erleichtern und echte Gleichberechtigung auf diesem Gebiet zu erreichen, sind bereits entwickelt worden. Letztlich obliegt es dem Gesetzgeber, das Wahlrecht fair zu gestalten und dabei einen gebotenen Ausgleich zwischen Gleichstellungsgebot, Parteienfreiheit und den Wahlrechtsgrundsätzen herbeizuführen. Dafür ist, wie bei allen erfolgreichen gleichstellungspolitischen Vorhaben, insbesondere der politische Wille maßgeblich.

 

Stand: April 2025

Über die Autorin

Sheyda Weinrich studierte Rechts- und Bildungswissenschaften an der JLU-Giessen und der FU Berlin mit den Schwerpunkten Kriminologie und Soziologie. Seit Oktober 2023 arbeitet sie als Referentin im Bereich Leitungsstab, Gremien und Vernetzung der Bundesstiftung Gleichstellung. Dort ist sie für die Koordinierung der Organe und Gremien der Bundesstiftung sowie Kommunikation in Bundestag, Verbänden und weiteren gleichstellungspolitischen Akteur*innen zuständig.

Bevor sie zur Stiftung kam, war sie zuletzt Referentin für nationale Gleichstellungspolitik beim Deutschen Frauenrat (DF) und zuständig für das Thema Repräsentanz und Teilhabe von Frauen in Politik und Wirtschaft. Dort koordinierte sie von 2018-2021 den Fachausschuss „Parität in Parlamenten und Politik.“ und begleitete die DF-Kampagne #MehrFrauenindieParlamente, die bundesweit eine breite Unterstützungswelle für das Thema ins Rollen brachte.

Redaktion: Dr. Franziska Pabst, Sebastian Scheele