Geschlechtersegregation am Arbeitsmarkt

Auf einen Blick

Frauen und Männer sind im unterschiedlichen Ausmaß in den Berufen und Branchen des Arbeitsmarktes tätig (horizontale Segregation), und die Repräsentanz von Frauen sinkt mit steigender Hierarchieebene (vertikale Segregation). Diese Geschlechtersegregation auf dem Arbeitsmarkt trägt zur Erklärung der geschlechtsspezifischen Lohnlücke (Gender Pay Gap) bei. Denn vorwiegend von Frauen ausgeübte Tätigkeiten werden im Durchschnitt geringer entlohnt als vorwiegend von Männern ausgeübte Tätigkeiten. Auch wirkt sie als Barriere zur Bekämpfung von Fachkräfteengpässen, etwa in naturwissenschaftlich-technischen (MINT-)Berufen und im Bereich Erziehung und Gesundheit.

Als Erklärungen für die Segregation werden in der sozialwissenschaftlichen Forschung z. B. unterschiedliche berufliche Präferenzen von Frauen und Männern herangezogen, die eine geschlechtstypische Berufswahl begünstigen. Darüber hinaus werden Präferenzen der Arbeitgeber*innen für Männer auf der betriebsinternen Karriereleiter angenommen, da für Männer weniger Erwerbsunterbrechungen erwartet werden (statistische Diskriminierung). Sozialpsychologische Erklärungsansätze argumentieren mit unterschiedlichen Kompetenz- und Statuszuschreibungen an Frauen und Männer auf dem Arbeitsmarkt (statusbasierte Diskriminierung) sowie unterschiedlichen Rollenerwartungen etwa an das berufliche Engagement infolge von familiären Verpflichtungen (normative Diskriminierung). Diese Rollen- und Statuszuschreibungen (Gender Beliefs), die auch von Frauen und Männern selbst verinnerlicht sind und ihre Berufswahl mitbestimmen, werden in alltäglichen Interaktionen immer wieder aktiviert. Sie bieten eine Erklärung dafür, warum die Segregation trotz des gesellschaftlichen Wandels so stabil ist.

Maßnahmen zur Verringerung der Segregation sollten auf politischer und betrieblicher Ebene ansetzen und geschlechterstereotype Vorstellungen stärker sichtbar machen, um sie so schrittweise zu überwinden. Dazu zählen etwa die Förderung von Projekten, die das Interesse für geschlechts-untypische Berufe bereits in der frühkindlichen (schulischen) Bildung fördern, oder betriebliche Maßnahmen zur Stärkung einer egalitären Unternehmenskultur.

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von Anne Busch

Mit der Geschlechtersegregation am Arbeitsmarkt (im Folgenden: Segregation) wird die ungleiche Verteilung von Frauen und Männern auf unterschiedliche Bereiche des Arbeitsmarktes bezeichnet. Im Folgenden wird ein Überblick über Formen, Ausmaß und Erklärungen der Segregation sowie über Konsequenzen aus gleichstellungspolitischer Sicht gegeben. Abschließend werden politische und betriebliche Maßnahmen zur Verringerung der Segregation vorgestellt.

Formen und Ausmaß der Segregation

Unterschieden wird zunächst zwischen der horizontalen und der vertikalen Segregation:

Horizontale Segregation

Frauen und Männer sind in unterschiedlichem Ausmaß in den Berufen und Branchen des Arbeitsmarktes anzutreffen. Typische „Frauenberufe“ finden sich etwa im Dienstleistungs-, Erziehungs- und Pflegebereich; typische „Männerberufe“ finden sich im Handwerk, in der Elektrotechnik und der Mechatronik (Statistisches Bundesamt 2024a). So lag der Frauenanteil unter den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in den medizinischen und nicht-medizinischen Gesundheitsberufen im Jahr 2022 bei 80,8 Prozent. Demgegenüber waren nur 13,8 Prozent Frauen in den fertigungstechnischen Berufen vertreten (Pfahl/Wittmann 2023). Die horizontale Segregation findet sich auch mit Blick auf gewählte Studienfächer (Bundeszentrale für politische Bildung 2022) und bei der Wahl des Ausbildungsberufs (Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen o. J.).

Hinweis: Je nach Definition von Berufen und Führungspositionen können sich die Werte leicht je nach Veröffentlichung voneinander unterscheiden. Quellen: Bächmann et al. (2024: 1); Statistisches Bundesamt (2024d); Busch-Heizmann (2015: 573)

Eine Maßzahl für die horizontale Segregation ist der Dissimilaritätsindex (D). Dieser lag im Jahr 2012 bei 0,53 (Busch-Heizmann 2015): 53 Prozent der Frauen und Männer hätten den Beruf wechseln müssen, um eine ausgewogene Verteilung über alle Berufe zu erhalten. Seitdem ist die Segregation kaum rückläufig (Bächmann et al. 2024; Pfahl/Wittmann 2023). Zudem war sie in Ostdeutschland 2012 etwas höher als in Westdeutschland (Busch-Heizmann 2015) und hat sich über die Zeit dem Wert von Westdeutschland angenähert (Pfahl/Wittmann 2023; Bächmann et al. 2024).

Abb. 1: Frauenanteil an den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in ausgewählten Berufen in Deutschland 2013/22
Quelle: Pfahl/Wittmann (2023: 3); Datengrundlage sind die Berufe im Spiegel der Statistik des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung; eigene Darstellung
Vertikale Segregation

Frauen und Männer verteilen sich auch unterschiedlich auf die Hierarchiestufen am Arbeitsmarkt. Der Frauenanteil wird mit höherer Hierarchiestufe immer geringer. In der sozialwissenschaftlichen Literatur wird in diesem Zusammenhang auch von einer gläsernen Decke gesprochen, an die Frauen auf ihrem Karriereweg stoßen (Littmann-Wernli/Schubert 2001). Im Jahr 2023 lag der Frauenanteil in Führungspositionen in Deutschland bei 28,7 Prozent; der Wert hat sich ebenfalls über die Jahre seit 2012 kaum verändert (Statistisches Bundesamt 2024d). Zwar ist der Frauenanteil unter den jüngeren Führungskräften höher als unter den älteren (vgl. Abb. 2); inwieweit dies aber einen Wandel markiert, kann damit nicht beantwortet werden. Stattdessen kann beispielsweise auch angenommen werden, dass mit zunehmenden Alter Frauen eher als Männer die Führungsposition wieder verlassen.

Die vertikale und die horizontale Segregation hängen voneinander ab. So ist die vertikale Segregation auch damit zu erklären, dass in typischen „Frauenberufen“ im Durchschnitt weniger Aufstiegsmöglichkeiten als in typischen „Männerberufen“ bestehen (Pfahl/Unrau 2024a). Zudem legen Ergebnisse der Forschung nahe, dass es Männern in Frauenberufen eher gelingt, die dortigen Führungspositionen zu erhalten; das wird auch als gläserne Rolltreppe oder gläserner Fahrstuhl (Glass Escalator) bezeichnet (Hizli et al. 2023).

Abb. 2: Anteile von Frauen in Führungspositionen insgesamt und nach Altersgruppen in Deutschland 2023
Quelle: Statistisches Bundesamt (2024d); Datengrundlage ist die Arbeitskräfteerhebung 2023; eigene Darstellung
Weitere Formen der Segregation

Innerbetriebliche Segregation (auch: Organisationsdemografie, vgl. Busch-Heizmann et al. 2018) meint, dass nicht nur auf beruflicher Ebene, sondern auch innerhalb von Betrieben Frauen und Männer unterschiedlich in Tätigkeitsfeldern (sogenannten Jobzellen, also berufliche Tätigkeiten innerhalb von Betrieben, vgl. Achatz et al. 2005) und Hierarchieebenen verteilt sind (Beblo et al. 2008).

Die vertraglich-zeitliche Segregation umfasst die unterschiedliche Verteilung von Frauen und Männern auf Arbeitszeitmodelle. Frauen üben häufiger als Männer Tätigkeiten in Teilzeit und in geringfügiger Beschäftigung aus (Bundeszentrale für politische Bildung 2020; Pfahl/Unrau 2024b). So lag der Gender Time Gap im Jahr 2022 bei 7,7 Stunden, die wöchentliche Arbeitszeit war im Durchschnitt bei Frauen mit 30,6 Stunden somit um 7,7 Stunden geringer als die der Männer (38,3 Stunden) (Pfahl/Unrau 2024b). Die vertraglich-zeitliche ist mit der horizontalen und vertikalen Segregation eng verknüpft: Teilzeittätigkeiten finden sich eher in „Frauen-“ als in „Männerberufen und -branchen“ (Busch-Heizmann 2015; Pfahl et al. 2023), und insbesondere Frauen in Teilzeit sind prozentual seltener in Berufen mit dem höchsten Anforderungsniveau (Expert*innen) als Männer und als vollzeittätige Frauen anzutreffen (Pfahl/Unrau 2024a).

Abb. 3: Frauen und Männer in Vollzeit, langer Teilzeit und kurzer Teilzeit in den Branchen "Maschinenbau" und "Erziehung und Unterricht" in Deutschland 2021
Quelle: Pfahl et al. 2023: 32 f.; Datengrundlage ist der Mikrozensus 2021; eigene Darstellung
Erklärungen für die Segregation

Zur Klärung der Frage, warum Frauen und Männer in unterschiedlichen Berufen und Hierarchiestufen anzutreffen sind, werden in der Literatur verschiedene sozialwissenschaftliche Theorien herangezogen (für einen Überblick über diese und weitere Theorien vgl. Busch 2013a):

Angebotsseitige Theorien argumentieren mit unterschiedlichen rational-ökonomischen Abwägungen (Hinz/Abraham 2008) sowie unterschiedlichen, in der vorberuflichen Sozialisation ausgebildeten beruflichen Präferenzen von Frauen und Männern (Eckles 1987), welche die Berufswahl mitbestimmen. Frauen präferieren demzufolge eher Berufe, die sich gut mit der Familie vereinbaren lassen und die soziale Arbeitsinhalte haben (z. B. anderen Menschen helfen zu können), Männer bilden laut der Theorie eher extrinsische berufliche Präferenzen (z. B. Präferenzen für hohe Verdienst- und Aufstiegschancen) aus und wählen entsprechende Berufe (Busch 2013b). Forschungsergebnisse zeigen allerdings, dass sog. „Frauenberufe“ teils höhere Anforderungen an Qualifikation und Berufserfahrung stellen als sog. „Männerberufe“ (Stohr et al. 2021). Auch die Annahme der besseren Vereinbarkeitsmöglichkeiten in „Frauenberufen“ widerspricht teils den Ergebnissen der Forschung. Zum Beispiel besteht in Pflegeberufen, in denen Frauen überrepräsentiert sind, eine überdurchschnittliche Arbeitsintensität (Institut DGB-Index Gute Arbeit/ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft 2018). Die Branche „Gesundheits- und Sozialwesen“ ist durch einen besonders hohen Anteil an Personen, die regelmäßig in Wechselschicht arbeiten, gekennzeichnet (Pfahl et al. 2023: 39). Auch zu Unterschieden in Persönlichkeitseigenschaften wie einer höheren Risiko- und Wettbewerbsbereitschaft von Männern, welches insbesondere die vertikale Segregation erklären könnte, existieren uneinheitliche Befunde in der Literatur (Filippin 2022).

Nachfrageseitige Theorien argumentieren aus der Perspektive der Arbeitgeber*innen: Aufgrund von unvollständigen Informationen kalkulieren sie der ökonomischen Sichtweise zufolge für Frauen eine geringere erwartbare Produktivität (Hinz/Abraham 2008). Da Frauen im Durchschnitt häufiger ihre Erwerbsarbeit unterbrechen, bevorzugen Arbeitgeber*innen somit Männer für freie Stellen oder für Beförderungen (statistische Diskriminierung). Allerdings müsste aufgrund eines sich über die Zeit angenäherten Erwerbsverhaltens von Frauen und Männern die statistische Diskriminierung zurückgehen. Offenbar sind die genannten Theorien somit nicht ausreichend, um die Segregation und insbesondere ihre zeitliche Persistenz zu erklären.

Warum schlagen Frauen und Männer also nach wie vor häufig unterschiedliche Berufswege ein? Hier greifen sozialpsychologische Ansätze aus dem insbesondere US-amerikanischen Raum, die die Ursachen der Segregation mittels historisch gewachsener Ungleichbehandlungen von Frauen und Männern erklären (Ridgeway 2001): Auf dem Arbeitsmarkt werden Frauen und Männern demzufolge unterschiedliche Kompetenzen und ein unterschiedlicher Status zugeschrieben (statusbasierte Diskriminierung). Darüber hinaus bestehen auch geschlechtsspezifische Zuschreibungen an das Verhalten von Frauen und Männern (normative Diskriminierung): Von Frauen wird etwa in Gehalts- und Aufstiegsverhandlungen ein anderes Verhalten erwartet als von Männern. Diese Erwartung basiert auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Rollenzuschreibungen etwa an das berufliche Engagement infolge von familiären Verpflichtungen (vgl. zusammenfassend zu den Diskriminierungsbegriffen Hipp 2016). Frauen und Männer selbst erlernen solche Zuschreibungen und schätzen sich entsprechend auch selbst als kompetent oder weniger kompetent für bestimmte Aufgaben ein, beispielsweise in ihrer Mathematikkompetenz (Correll 2001). Diese geschlechtsspezifischen Zuschreibungen (Gender Beliefs) beeinflussen somit die Entscheidungen für einen „geschlechtstypischen“ Beruf (Angebotsseite) als auch die Entscheidungen der Arbeitgeber*innen für Stellenbesetzungen, etwa in Führungspositionen (Nachfrageseite).

Abb. 4: Der Einfluss von tatsächlicher Leistung und Selbsteinschätzung auf die Berufswahl am Beispiel Mathematikkompetenz
Quelle: Correll (2001: 1699); eigene übersetzte Darstellung

Diese geschlechtsspezifischen Zuschreibungen (Gender Beliefs) sind dabei zeitlich sehr starr, da sie in alltäglichen Interaktionen immer wieder aktiviert werden. Sie bieten eine Möglichkeit, das Gegenüber einzuordnen und die Situation einzuschätzen und sind somit ein (vermeintlich) einfaches Orientierungsmerkmal zur Handlungserleichterung. Der Ansatz bietet somit eine Erklärungsleistung dafür, dass sich die Segregation insbesondere in den letzten Jahren so hartnäckig hält. Dieses Verharren der Ungleichheiten wird im internationalen Diskurs auch als stockende Revolution der Geschlechtergleichstellung (Stalled Gender Revolution) bezeichnet (England et al. 2020). Allerdings lassen sich solche Zuschreibungen (Beliefs) oder Diskriminierungen nur schwer messen beziehungsweise statistisch nachweisen. In Bewerbungsexperimenten wird beispielsweise überprüft, inwieweit Personalverantwortliche auf Basis von Lebensläufen fiktiver Bewerbungen Frauen systematisch gegenüber Männern benachteiligen, also seltener zu Bewerbungsgesprächen einladen würden, und inwieweit dies zwischen typischen „Männerberufen“ und „Frauenberufen“ variiert (z. B. Kübler et al. 2018).

Bewertung der Segregation aus gleichstellungspolitischer Sicht

Die Segregation geht mit weiteren sozialen Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt einher: Tätigkeiten, die vorwiegend von Frauen ausgeübt werden, werden im Durchschnitt geringer entlohnt als vorwiegend von Männern ausgeübte Tätigkeiten, was zur Erklärung der geschlechtsspezifischen Lohnlücke (Gender Pay Gap) maßgeblich beträgt (Klammer et al. 2022). Im Jahr 2023 betrug dieser Gap in Deutschland 18 Prozent – Frauen hatten also im Mittel einen Bruttostundenverdienst, der mit 20,84 Euro um 18 Prozentpunkte geringer war als der mittlere Bruttostundenverdienst der Männer (25,30 Euro) (Statistisches Bundesamt 2024b). Die Verringerung der Segregation würde somit die soziale Ungleichheit zwischen Frauen und Männern verringern – nicht zuletzt auch deshalb, weil sich soziale Benachteiligungen über den Lebensverlauf kumulieren; so unterscheidet sich auch das Alterssicherungseinkommen zwischen Frauen und Männern (so genannter Gender Pension Gap, vgl. Statistisches Bundesamt 2024c). Gleichzeitig sollte der gesellschaftlichen Abwertung von weiblich konnotierten Tätigkeiten durch höhere Entlohnung begegnet werden (Klammer et al. 2022).

Weiterhin ist die Stabilität der Segregation auch mit Bezug auf die gleichzeitige Veränderung von Arbeitsmärkten problematisch: Die Segregation steht der Behebung des Fachkräftemangels entgegen (Arnold-Triangeli et al. 2023). So sind MINT-Berufe, also Berufe im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, in besonderem Ausmaß von Arbeitskräfteengpässen betroffen (Charta der Vielfalt e.V. 2023: 33). Das sind gleichzeitig Berufe, die von Männern sehr viel häufiger als von Frauen gewählt werden, was sich beispielsweise an den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen in dualen MINT-Berufen zeigt (Bundesagentur für Arbeit 2024). Gleichzeitig weist auch der Bereich „Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung“, in dem sich mehr Frauen als Männer finden, hohe Arbeitskräfteengpässe auf (Charta der Vielfalt e.V. 2023: 33). Entsprechend würde eine Erhöhung des Frauenanteils in MINT-Berufen sowie eine Erhöhung des Männeranteils in Gesundheits- und Sozialberufen dazu beitragen, diesen Fachkräftemangel zu beheben. Dazu zählt auch, Männer und Frauen, die geschlechts-untypische Berufe wählen, in diesen Berufen zu halten (Leitner/Kreimer 2022).

Abb. 5: Frauenanteile an neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen zum 30.09. in dualen MINT-Berufen in Deutschland 2017/23
Quelle: Bundesagentur für Arbeit (2024); Datengrundlage ist die Statistik der Bundesagentur für Arbeit; eigene Darstellung

Politische und betriebliche Maßnahmen zur Verringerung der Segregation

Maßnahmen zur Verringerung der Segregation sollten zu einer freien Berufswahl abseits von Geschlechterstereotypen und gleichen Aufstiegschancen beitragen. Das kann auf unterschiedliche Weise erreicht werden. Auf politischer Ebene existieren gesetzliche und nicht-gesetzliche Maßnahmen, um der Segregation entgegenzuwirken (für einen Überblick vgl. Jochmann-Döll/Scheele 2020: 49 ff.):

  • Das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (FüPoG), welches 2015 in Kraft getreten und 2021 angepasst wurde, soll dazu dienen, den Frauenanteil in den Führungspositionen zu erhöhen und somit die vertikale Segregation bekämpfen. Wissenschaftliche Analysen zeigen, dass Geschlechterquoten, wie sie im FüPoG vorgesehen sind, wirksam sind (Kirsch et al. 2022).
  • Nicht-gesetzliche Maßnahmen und Initiativen zur Überwindung der horizontalen Segregation umfassen die Förderung von Projekten, die Schülerinnen und Schüler, Jugendliche und junge Erwachsene für geschlechts-untypische Berufe begeistern (z. B. Girls Days, Boys Days, Mädchen in MINT-Berufe) (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2021; Stohr et al. 2021: 40; Servicestelle der Initiative Klischeefrei 2024).
  • Auch könnte für Frauen und Männer, die bereits im Erwerbsleben sind, die Schaffung von attraktiven Möglichkeiten für Umschulungen oder Weiterbildungen in geschlechts-untypische Berufstätigkeiten ein möglicher Weg zur Bekämpfung der horizontalen Segregation sein (Stohr et al. 2021: 40).
  • Schließlich ist das Pflegelöhneverbesserungsgesetz, welches 2019 in Kraft trat, ein Schritt in Richtung einer besseren Entlohnung in einer typischen Frauenbranche (Jochmann-Döll/Scheele 2020: 56). Die Forderung, sogenannte Care-Berufe materiell, personell und symbolisch-diskursiv besserzustellen, leitete auch Marc Gärtner in dem Fachtext „Care-Arbeit, Gleichstellung und der Blick auf Männer“ ab.

Im Rahmen von Diversity Management existieren auch Strategien von Unternehmen, eine bezüglich Geschlecht, aber auch anderer Merkmale (z. B. Alter oder soziale Herkunft) möglichst diverse, also heterogene Belegschaft zu schaffen (Arnold-Triangeli et al. 2023; Charta der Vielfalt e. V. 2023; Dreas/Rastetter 2016). Zu betrieblichen Strategien zählen (vgl. für einen Überblick Arnold-Triangeli et al. 2023: 42 ff.):

  • Eine Sensibilisierung von Führungskräften durch Coachings und Schulungen für die Herausforderungen und Potenziale von Diversity (Dreas/Rastetter 2016).
  • Die Erarbeitung und Umsetzung von Maßnahmen zur Herstellung von Diversity mittels Beteiligung (Partizipation) – Widerstände sollten ernst genommen und in die Entwicklung von Maßnahmen einbezogen werden (ebd.).
  • Die Integration von Maßnahmen in die Prozesse des Unternehmens, etwa von Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf (Busch-Heizmann et al. 2018; Busch-Heizmann/Rinke 2018), oder auch die Implementierung von Diversity-Kompetenz als Beförderungskriterium (Dreas/Rastetter 2016; Arnold-Triangeli et al. 2023) der Schwangeren orientiert.

Fazit

Forschungsergebnisse legen nahe, dass rein rational-ökonomische Erwägungen sowie in der Sozialisation erlernte Präferenzen für bestimmte Berufe und Berufsverläufe nicht ausreichen, um die zeitliche Konstanz der Geschlechtersegregation auf dem Arbeitsmarkt zu erklären. Darüber hinaus sind gesellschaftliche Annahmen über unterschiedliche Kompetenzen von Frauen und Männern (statusbasierte Diskriminierung) und über Rollenzuschreibungen etwa an das berufliche Engagement (normative Diskriminierung) für die Stabilität der Geschlechtersegregation bedeutsam. Maßnahmen zur Verringerung der Segregation sollten daher auf der Ebene der stereotypen Vorstellungen ansetzen, diese stärker sichtbar machen und somit nach und nach überwinden. Positive Erfahrungen mit Diversität am Arbeitsplatz und in Führungspositionen können dazu beitragen, dass sich Unternehmenskulturen (langsam) wandeln (Arnold-Triangeli et al. 2023). Darüber hinaus haben sich Geschlechterquoten bereits als wirksame gesetzliche Vorgabe erwiesen, die gläserne Decke durchlässiger zu machen. Die materielle Aufwertung von „Frauenberufen“ (z. B. auch durch eine geschlechtsneutrale Arbeitsbewertung wie sie in der EU-Entgelttransparenzrichtlinie vorgesehen ist) und die Verbesserung der dortigen Arbeitsbedingungen können ebenso einen Beitrag zur Reduzierung der Folgen einer geschlechtstypischen Berufswahl für soziale Ungleichheiten und schließlich auch zur Reduzierung der Segregation selbst leisten. Nicht zuletzt führt der digital-technologische Wandel der Arbeitswelt zu einer Veränderung und Erweiterung von Tätigkeitsprofilen und Kompetenzbedarfen, was sich beispielsweise im Bereich Künstlicher Intelligenz zeigt (Cristescu et al. 2024). Durch diesen Wandel ergeben sich neue Chancen, aber auch neue Risiken und Herausforderungen für die Gleichstellung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt (Wagner 2022).

Stand: November 2024

Über die Autorin

Anne Busch ist Soziologin und promovierte zu Ursachen, Reproduktion und Folgen beruflicher Geschlechtersegregation an der Berlin Graduate School of Social Sciences mit Forschungsaufenthalten an der Stanford University und der University of Tampere. Nach beruflichen Tätigkeiten am DIW Berlin/Sozio-oekonomisches Panel und an der Universität Bielefeld war sie als Juniorprofessorin für Soziologie (insbesondere Arbeit, Organisation, Gender) an der Universität Hamburg und als Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt soziale Ungleichheit und Geschlechterforschung an der Universität Duisburg-Essen tätig. Seit 2020 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Innovation und Technik (iit) der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH tätig und beschäftigt sich dort im Rahmen von BMBF-Projektträgerschaften und in Studien mit Arbeit 4.0 und Pflege 4.0, Wissenschafts- und Hochschulforschung, MINT-Bildung und Diversity.

Redaktion: Lukas Zielinski